Das Oldenburger Wunderhorn

Reflexionen 4

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Oldenburgs Schloßplatz: vom Zentrum zum Center

NWZ-Leserbrief  –  Rundbrief  –  Antwort des OB  –  Antwort eines Bürgers  –  Ergänzende Ideen  –  Grundsätze und Möglichkeiten

Das Zentrum des Landes Oldenburg: stadtoldenburger Schloß mit Schloßplatzringbebauung 1978 – 18 Jahre nach Inbetriebnahme des Hallenbades (rechts oben vom Schloß beim rotem H, mit Innenhof).
(Aus: Die Stadt Oldenburg in Bildern von gestern und heute, Text und Gestaltung von Heinz Holzberg und Dieter Isensee, Fotos von Uwe Brodmann u.a., 2. veränderte Auflage, Oldenburg 1982, S. 11, bearbeitet von Martin Teller, Oktober-November 2006.)
 

Im Frühjahr 2004 wurden den Oldenburgern die Pläne der Investorenfirma ECE und der damaligen Stadtleitung vorgestellt, am zentralen Schloßplatz in direkter Nachbarschaft zum Oldenburger Schloß auf dem Grundstück des alten innerstädtischen Hallenbades sowie angrenzender Flächen ein großdimensioniertes Einkaufs"center" zu errichten. Das löste eine sehr kontroverse bis heute andauernde Diskussion aus, in die der Verfasser als einer der ersten seine Gedanken einbrachte.

Man könnte dies als rein private Meinungsäußerung zu einem zeitaktuellen Thema verstehen und nicht in eine fachliche Homepage aufnehmen, die sich mit regionaler Geschichte und Geographie beschäftigt. Doch gerade weil die Diskussion ohne Bezüge zur älteren und jüngeren stadtoldenburger Siedlungsgeschichte und -geographie gar nicht verstanden werden kann, ja: weil sie ohne diese Bezüge nicht derartige Formen angenommen hätte, die (neben anderen Gründen) zur Abwahl des Oberbürgermeisters führten, weil sich also Vergangenheit und Gegenwart in diesem Thema unmittelbar berühren, gehört es zwangsläufig in den hiesigen Historienspiegel (ohne dabei zu übersehen, daß das Thema auch rein moderne wirtschaftlich-politische Aspekte enthält, die nicht Gegenstand dieser Homepage sind). Außerdem sollte man nicht nur von Geistes Blässe umweht im fachlichen Elfenbeinturm leben, sondern sich stets auch als Bürger seines gegenwärtigen Gemeinwesens engagieren, dessen Teil man schließlich ist. Trägt dies doch wieder dazu bei, für fachliche Belange ein breiteres Gehör zu finden.

Mit der Veröffentlichung im Netz wurde allerdings bewußt gewartet, bis die Kommunalwahl im September 2006 vorüber war, bei der das Thema Schloßplatzbebauung eine große Rolle spielte. Denn die folgenden Beiträge verstehen sich nicht als parteipolitische Wahlkampfäußerung bezogen auf irgendein Kurzziel, vielmehr als überparteilich-kulturpolitische, die auf grundlegendes Geschichtsverständnis und auf eine langfristig akzeptable und darum allseits akzeptierte Lösung des Bebauungsproblems zielen.

Dennoch sollte niemand hier eine umfassende historische Aufarbeitung des Schloßplatzthemas erwarten, zumal über die Bebauung noch gar nicht endgültig entschieden ist. Was folgt, ist lediglich der eigene Beitragsteil, zu dem noch die zahlreichen Leserbriefe Dritter in verschiedenen Oldenburger Zeitungen, andere Rundschreiben von privater Seite und Bürgerinitiativen sowie ältere Literatur zur Schloßplatzumgestaltung der 1950-60er Jahre zu stellen wären. (Einiges davon siehe in den Literaturangaben unter der Bebilderung.) – Dies als Hinweis für spätere Kollegen, die tatsächlich die Geschichte der modernen Schloßplatzbebauung in Oldenburg erforschen wollen.

Die eigenen Beiträge stehen hier in der Reihenfolge ihres Erscheinens: zuerst die vollständige Version des Leserbriefes, dessen von der Zeitung herausgekürzte Passagen durch braune Buchstaben gekennzeichnet sind, gefolgt vom Schloßplatz-Essay, das als Rundbrief an bestimmte Bürger verteilt wurde, danach thematisch ergänzende Auszüge aus anschließender Korrespondenz mit einzelnen Adressaten (deren Inkognitos gewahrt bleiben, wenn ihre Stellungnahmen inhaltlich über ihre offiziellen Funktionsbereiche hinausgingen), schließlich weiterführende Ideen. Diese Hauptteile sind durch erklärende Passagen verbunden. Etliche hinzugefügte historische wie moderne Abbildungen können die geschichtliche und geographische Dimension von Thema und Ort anschaulich illustrieren.

Die klassizistische Ringbebauung um das Oldenburger Schloß – Erhaltungszustand bis Mitte des 20. Jahrhunderts.
Blau – nördlicher Ringteil: Bildnummer 1 = Regierungsgebäude (heute Verwaltungsgericht), 2 = Neue Schloßwache, 3 = Kavalierhaus / Prinzessinnen-Palais / Kleines Palais (ehem. Gästehaus der Großherzöge), 4 = (1924 ausgebrannter und teilweise abgebrochener) Marstall, nördlich dahinter (nicht sichtbar) das Hoffinanzgebäude, das vorher u.a. als Zuchthaus und Bibliothek diente, 5 = Stallremise, mit Reitbahn nördlich dahinter (nicht sichtbar). 3 – 5 Ende der 1950er/Anfang der 60er Jahre abgerissen bei Gestaltung des Berliner Platzes mit ehem. Hallenbad, die Doppelbaumreihe beim Baumhof zugunsten von Parkplätzen gefällt. Der Punkt auf dem Baumhof markiert den ursprünglichen Standort des 1893 aufgestellten Denkmals für den Herzog Peter Friedrich Ludwig, unter dessen Herrschaftszeit die klassizistische Umgestaltung des Schloßplatzes begann. Das Denkmal wurde später näher an die südöstliche Hausecke des Gebäudes 1 verlegt.
Am Eingang des Schloßgartens direkt am Ufer der Mühlenhunte ein klassizistischer Gartenpavillon, nach Bau der Straße Schloßwall hinter den Bürgerhäusern am Damm Anfang der 1960er Jahre einige Meter südwestlich entlang der Hunte an den heutigen Eingang des Schloßgartens verlegt.
Rot – südlicher Ringteil: P = Prinzenpalais am Damm. 1 – 9 Hausnummern der Huntestraße, davon Nr. 2 – 9 ähnlich aber nicht baugleich gestaltete sog. Kavaliershäuser; Anfang des 19. Jahrhunderts vorwiegend bewohnt von Hof- und Regierungsbeamten. Nr. 8 und 9 1906 abgebrochen für einen Erweiterungsbau der Landesversicherungsanstalt (Nr. 10, nördlich angrenzend, nicht sichtbar), 1973 wiederum für einen Hochhausbau der LVA abgebrochen. Der von zwei Doppelbaumreihen umsäumte Paradewall oder sog. Dunkle Wall wurde 1957/58 zu einer Verkehrsstraße ausgebaut, desgleichen die 1963/64 zu Lasten der Mühlenhunte verbreiterte Huntestraße, wobei jeweils die meisten Bäume gefällt wurden.
(Aus: Hermann Sandeck: Alte Baukunst in der Stadt Oldenburg, Neugestalteter Nachdruck des Aufsatzes aus dem Oldenburger Jahrbuch Nr. 1940/41, Band 44 und 45, Hrsg. Stadt Oldenburg, Oldenburg 1980, S. 67. Beschriftung verändert und erweitert von Martin Teller.)
 

Leserbrief an die Nordwest-Zeitung am 8.7.2004
zu den Artikeln Schloßplatz weiter im Brennpunkt vom 7.7.2004

Wenn man sich in der Schloßplatz-Diskussion die berechtigten Argumente der Stadtverwaltung (Keine Bürohaus-"Monokultur"!), der Kaufmannschaft (Keine Großkonkurrenz in wirtschaftlich schwierigen Zeiten!) und der Bürger (Mehr Lebensqualität in der Innenstadt!) vor Augen hält, wundert es, daß noch niemand das scheinbar Unmögliche gefordert hat, als Herzstück des Areals eine Art neuen Marstall zu errichten. Dadurch würde Oldenburg eine innerstädtische Kombihalle gewinnen, deren Nutzung ausdrücklich nicht in Konkurrenz zur Weser-Ems-Halle oder den großen Kultur- und Sportstätten stehen sollte, sondern im kleineren Rahmen ergänzend das Innenstadtgeschehen beleben könnte. Denkbar wären etwa Ausstellungen der örtlichen Museen oder der Wirtschaft, Vereins-Sportvorführungen, Konzerte im Kultursommer, genauso wie zeitweilige Verwendung als offene Wochenmarkthalle, Kleinkunstbühne, Flohmarkt und Ponyreithalle während der Festmärkte. Um dieses multifunktional zu gestaltende Gebäude wäre ein abwechslungsreicher Mix aus größeren und kleineren Geschäften, Büros, Wohnungen, Innenhöfen mit Spiel- und Ruhezonen, Arkaden oder Tordurchgängen zum Schutz vor Oldenburger Wetter und ausreichend (Tief)Parkmöglichkeiten zu gruppieren. Die Fassaden zum Schloß müßten wieder klassizistisch gestaltet werden, zur Innenstadt und Mühlenstraße könnten sie auch mit Backstein an die mittelalterlich-neuzeitlichen Bürgerhäuser erinnern, die dort durch ignorante Stadtplanung einst mutwillig zerstört wurden. Aus historischen Zeugnissen weiß man, daß hier vor der herrschaftlichen Reitanlage nebst Gästehaus und Hoffinanzgebäude mit Bibliothek und Gemäldesammlung der Wirtschaftshof der Burg gestanden hat, dahinter private Wohngeschäftshäuser. Wohnen und Wirtschaften haben hier also gleichermaßen Tradition wie Gastlichkeit, Wissenschaft, Verwaltung, Kunst, Sport und offizielle Repräsentation, was zur neuerlichen Mischnutzung einladen sollte. Auch befand sich hier ein frühes Zuchthaus, was uns dazu drängen müßte, nicht Gefangene eigener Verzagtheit zu werden, sondern mit ausgewogenem Blick gleichermaßen für vergangenen Glanz und zukünftige Möglichkeiten hausgemachte wie von außen an Stadt und Land herangetragene zerstörerische Tendenzen zu überwinden und ihnen unseren grenzenlosen Mut und Gestaltungswillen entgegenzusetzen.

Die Leser mögen dazu einige inhaltliche, technische und persönliche Hinweise aus der Autorenwerkstatt gestatten: "Von außen herangetragene zerstörerische Tendenzen" war natürlich eine knappe Anspielung auf die sich abzeichnende, nicht minder heiß als das ECE-Thema diskutierte Auflösung der Bezirksregierungen – vollzogen am 1.1.2005 gewiß nicht zum Vorteil des Oberzentrums Oldenburg und einer bürgernahen Landesverwaltung. "Grenzenlosen Mut und Gestaltungswillen" mußte ich aus damaligen persönlichen Gründen zuallererst selbst beweisen. Ihr Ergebnis ist bislang v.a. diese Homepage.
Der bei aller Inhaltsdichte bewußt kurz gehaltene Diskussionsbeitrag wurde insgesamt sinnentstellend gekürzt und mit anderen diesbezüglichen Leserbriefen am 24.7.2004 im stadtoldenburger Teil der NWZ gedruckt. So, wie der Text erschienen war, mußte es aussehen, als würde sich sein Verfasser fast ausschließlich für nichtkommerzielle Nutzungen aussprechen und sich überhaupt keine Gedanken zur Finanzierung seiner zugegebenermaßen ungewöhnlichen Gestaltungsideen machen – wie man es "Kulturmenschen" gerne pauschal unterstellt. Um richtigzustellen, daß hier im Gegenteil sehr wohl über den fachlichen Tellerrand geschaut wird (was namentlich dem Verfasser besonders wichtig ist), setzte ich ein neues ausführlicheres Schreiben in Essayform auf. Es war nicht zu erwarten, nochmals über dieselbe Zeitung den Sachverhalt richtigstellen und die Grundidee detaillierter darlegen zu können. Den neuen Text hatte ich deshalb als Rundbrief konzipiert, der sich diesmal nicht an die gesamte Öffentlichkeit sondern gezielt an einzelne Funktionsträger und Privatleute richtete, von denen anzunehmen war, daß ihnen die Belange der eigenen Stadt aus unterschiedlichen Gründen am Herzen liegen mußten. Wegen der gerade heißlaufenden öffentlichen Diskussion erschien mir die zur Verfügung stehende Zeit sehr knapp, darum erstellte ich dieses Rundschreiben innerhalb von drei Tagen (und Nächten), was ein logistisches Abenteuer wurde und zudem nicht unerhebliche Kopier- und Portokosten verursachte. Einige Schreiben konnten mit Hilfe Dritter auch direkt zugestellt werden. Bei längerer Bearbeitungszeit wären allerdings manche Passagen anders formuliert und noch weitere Personen in den Verteiler aufgenommen worden.
 

Ansicht der historischen Ringbebauung um den Oldenburger Schloßplatz – Nordseite zur Innenstadt. Ausschnitt aus einer Postkarte um 1862, Blick vom Schloßturm von Nordwest (links) über Nord (Bildmitte) bis Nordost. Auffallend ist neben dem noch intakten Gebäudering am Schloßplatz auch die spärliche Bebauung der nördlichen Vororte und der noch unverstellte Blick in die Ferne unter einem sehr hohen Oldenburger Himmel.
(Oben aus: Albrecht Eckhardt, Udo Elerd, Ewald Gäßler: Das Bild der Stadt, Oldenburg in Ansichten 1307 – 1900, Oldenburg 1995, S. 135. Unten aus: Hermann Sandeck, S. 67, s.o., bearbeitet von Martin Teller. Siehe zu den Gebäuden auch: Oldenburg im Profil, Erkundungen und Informationen zur Stadtentwicklung, von Klaus Brake und Rainer Krüger unter Mitarbeit von Dietrich Hagen, Kersten Krüger, Evelyn Müller, Oldenburg 1995, S. 16-35.)
 

Rundbrief vom 27.7.2004

Probleme und Chancen der Schloßplatz-Bebauung

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit diesem mehrteiligen Schreiben zum aktuellen Bauvorhaben beim Oldenburger Schloß wende ich mich an Sie, weil ich annehme, aufgeschlossene Mitbürger, Freunde und Förderer des hiesigen kulturellen und wirtschaftlichen Lebens zu finden, denen an einer gedeihlichen Stadtentwicklung gelegen ist. Mit meinen nachfolgend vorgestellten Gedanken möchte ich auf vermeidbare Probleme aufmerksam machen und dazu anregen, sorgfältig und gründlich über alle Pläne nachzudenken sowie die Stadtverwaltung beratend zu unterstützen – bzw. diese, sich beraten zu lassen, um gemeinsam die besten Lösungen zu finden.

I.

Angesichts meiner ungewöhnlichen Privatinitiative sollte ich mich wohl zuerst vorstellen, denn daß jemand aus reinem Idealismus Mühe, Zeit und Geld investiert, scheint heute leider nicht mehr alltäglich zu sein. Dabei hat uns der Landtagspräsident a. D. Horst Milde beispielhaft vorgemacht, wie man sich mit Zivilcourage für seine Stadt, sein Land und dessen Bevölkerung einsetzen kann. Um von vornherein den Verdacht einseitiger Interessenvertretung auszuschließen, gebe ich gerne zu, daß ich in der Tat seit langem ein Lobbyist bin: für die Belange meiner Fächer Geschichte und Geographie, die ich an der hiesigen Universität studiert habe, und für die Stadt Oldenburg, in der ich lebe. Mit dieser ansonsten überparteilich zu verstehenden Wortmeldung habe ich mich innerhalb Oldenburgs an verschiedene Persönlichkeiten und Institutionen gewandt, deren Namen ich aber nicht nennen möchte, damit diejenigen, die mit meinen Vorschlägen nicht einverstanden sein sollten, sich dadurch nicht vereinnahmt fühlen.
Ich darf mich vorab nur einmal wundern, daß die Stadt zwar neuerdings an allen Ausfallstraßen Reklame mit der hiesigen Universität macht, man aber trotz engagierter Arbeit der Universitätsgesellschaft, deren Mitglied ich bin (äußere mich rein privat), gerade in Fragen des "Tagesgeschäftes" beider Seiten doch eher nebeneinander herlebt. Die Stadt hat nicht mehr viele Pfunde, mit denen sie wuchern kann, daher wäre eine intensivere Einbeziehung des vor Ort vorhandenen wissenschaftlichen Potentials sicher nutzbringend.
Im folgenden werde ich mich um Komprimierung bemühen; Kürze kann ich angesichts des Themas nicht versprechen.

II.

Vergangenen Samstag habe ich mich per Leserbrief in der Nordwestzeitung ansatzweise zur entwicklungsplanerischen Herausforderung der zukünftigen Schloßplatzbebauung geäußert. Es ist nicht ganz leicht, einen argumentativen Appell für ein paar Quadratzentimeter Zeitungsseite zu konzipieren, wenn man auch noch befürchten muß, daß einem die bereits gedrängten Inhalte um wesentliche Aspekte gekürzt und dadurch die Aussagen u. U. ins Gegenteil verkehrt werden. Nach dem gedruckten Auszug hat es den Anschein, als habe ich mich allein für eine kulturelle Nutzung und gegen eine kommerzielle ausgesprochen, was keineswegs der Fall ist. Gerade in meinem Fach weiß ich sehr gut, daß alles einen soliden finanziellen Boden haben muß.
Gravierender erscheint mir aber, wie einfach unterzugehen droht, daß ich in aller platzbedingten Kürze eine nachträgliche Sinn- und Namensgebung für den Baukomplex angeboten habe. Sie könnte bei dessen entsprechender architektonischen Gestaltung m. E. den Konflikt zwischen Verwaltung, Kaufmannschaft und Bürgern schlichten und zur besseren Akzeptanz und gedeihlichen Entwicklung des Vorhabens beitragen. Dazu ermuntert fühlte ich mich von den durchweg positiven Reaktionen auf meine bisherigen Vorschläge, wenn ich gelegentlich die Stadt und neuerdings auch ein Privatunternehmen in Fragen stadt- und landschaftsgeschichtlich passender Namensgestaltung berate. Mein Forschungsgebiet Oldenburger Siedlungs- und Landschaftsgeschichte führt mich immer wieder auch zu aktuellen stadtplanerischen Themen, besonders wenn sie Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen berühren, was beim Schloßplatz – in den Diskussionen wurde dessen Geschichtsträchtigkeit bisher fast überhaupt noch nicht erwähnt – eindeutig der Fall ist.

III.

Gestatten Sie mir, zunächst einige generelle Gedanken zum Thema zu äußern, bevor ich zu meinem Konzeptvorschlag komme.

Die aus den vielen Leserbriefen hervorgehende massive Kritik zahlreicher Stimmen an der aktuell geplanten Bebauung des nördlichen Schloßplatzes kann man im einzelnen unterschiedlich bewerten, zeigt insgesamt aber doch, daß zumindest mit der Kommunikation, eher mit der bisherigen Grundidee etwas nicht in Ordnung ist: ein als störender Fremdkörper empfundenes Riesen-Kaufhausgebäude führt zu allgemeinem Unmut und könnte in allgemeine Verweigerung münden. Dabei sollte die Chance, am teilweise sehr schäbigen Platz endlich etwas zu ändern, doch geradezu Euphorie auslösen! Anstatt der Bevölkerung Angst einzujagen, sollten sich die Bürger auf das Neue freuen können. Das wird man nur erreichen, wenn man ihren Bedenken, Bedürfnissen und Beiträgen offen gegenübersteht. Natürlich sollte das nicht in Populismus ausarten, doch ganz am Volk vorbei, dessen Urteilskraft keineswegs durchweg irrelevant ist, wird man auch in Oldenburg nicht regieren und wirtschaften können.

Gegenwärtig scheinen die Beteiligten eine Annäherung ihrer Positionen wechselseitig mit wenig dienlichen Argumenten zu blockieren: Fordern die einen, zu denen auch ich gehöre, eine Mischnutzung, sehen sie sich dem Verdacht ausgesetzt, wichtige Aspekte wie Finanzierung und Wirtschaftlichkeit außer acht zu lassen. Forcieren die anderen einseitig die kommerzielle Ansiedlung, wird ihnen entgegengehalten, es sei nicht genügend Geld im Umlauf, die bisherigen Innenstadtgeschäfte und die geplante Passagenanlage gleichzeitig wirtschaftlich zu tragen. Dabei kann man sehr wohl das Machbare und das Wünschenswerte in Einklang bringen, ohne die bekannten kürzlich geschlossenen Verträge zu brechen und völlig von der jetzigen Linie abzuweichen. Indem man – die Stadt verfügt doch über Lenkungsmittel! – dem hochwillkommenen finanziellen Investoren Gestaltungsauflagen macht, die v.a. die äußere Gestalt und die Einbindung nichtkommerzieller Nutzungen betreffen, die ganz in seinem Sinne sein sollten, wenn sie Akzeptanz und Kundenfrequenz fördern. Denn worin lägen die Vorteile einer riesigen aber weitgehend leerstehenden Anlage gegenüber einer etwas kleineren aber besser angenommenen?

Nur weil es einmal eine solche Periode in der jüngeren Stadtgeschichte gegeben hat, müssen wir nicht zwangsläufig jedesmal, wenn es um grundlegende Entscheidungen mutmaßlich großer Tragweite geht, in provinzielle Ignoranz verfallen und den Wert eigener Geschichte, vorhandener historischer Gebäude und lokaler Traditionen gering achten, die erst – im Gegensatz zu austauschbaren modernen Geschäftshäusern – einer Stadt ihr unverwechselbares Gesicht geben; vielmehr sollten wir mit diesen Pfunden wuchern. Anderswo renoviert man liebevoll seine historischen Ensembles oder investiert sogar in den Wiederaufbau zerstörter historischer Gebäude, um ein attraktives lebens- und liebenswertes Umfeld zu schaffen, das letztlich allen Gesellschaftsgruppen dient.
Nun wird niemand, der die Situation und Möglichkeiten unserer Stadt einigermaßen realistisch einschätzt, für eine originalgetreue Rekonstruktion selbst baugeschichtlich wertvollster Gebäudeensembles eintreten können. Darum handelte es sich nämlich bei der klassizistischen Häuserzeile rings um das Schloß; und auch um die vielen abgebrochenen Burgmannswohnungen, Bürger- und Geschäftshäuser am Marktplatz und an der Mühlenstraße müßte es uns sehr leid tun. Die Frage ist, wie sich die Reminiszenz an die Wurzeln Oldenburgischer Geschichte, d.h. an das "original Oldenburgische", mit den Wünschen nach ästhetischer Baugestaltung, urbaner Lebensqualität, sinnvoller Nutzung, tragbarer Finanzierung und dauerhafter Wirtschaftlichkeit, kurz, wie sich sogenannte weiche und harte Standortfaktoren am besten miteinander verbinden lassen.
An einer städtebaulich so sensiblen Stelle wie unmittelbar am Schloß muß darüber sehr intensiv nachgedacht und sorgfältig die Einzelanforderungen aufeinander abgestimmt werden, anstatt einen Schnellschuß loszulassen, nur damit überhaupt etwas passiert. Unser über der Tür am alten Rathaus eingemeißeltes städtisches Motto heißt: "Erst wäg's, dann wag's!", nicht: "Erstmal machen – dann besser machen!" Da die bisherigen Entwürfe glücklicherweise wohl nicht bindend sind, haben Verwaltung und Investor, Innenstadtkaufleute und Bürgerschaft bis zum Umzug der LzO-Zentrale noch etwa 4 Jahre Zeit, zum Wohle aller eine wirklich vernünftige Ausführung zu planen. Dann aber sollten sie entschlossen und unverzüglich handeln.

Einige Einkaufspassagen gebaut zu haben halte ich nicht für eine grundsätzliche Fehlentscheidung, besonders nicht bezüglich des marktplatznahen und durchaus beliebten Lambertihofes oder des pittoresken Nikolaiganges, denn der Flaneur, der Liebhaber urbanen Lebens, schätzt "verlangsamende" Winkel und Ecken, den Wechsel von pulsierendem Leben auf breiteren Straßen und Plätzen mit Ruhezonen in kleinen Gassen, was sosehr an die "Urstädte" unserer Kultur, an die des Mittelalters erinnert, an denen sich eine sensible Stadtgestaltung orientieren sollte. Es ist gerade diese Kleinteiligkeit, die man bei großen Kaufhäusern mit allzuglatten Fassaden vermißt, trotz ihres stets geschätzten umfassenden Warenangebotes.
Allseits beklagte Leerstände (nicht nur) der Passagen sind vermutlich auf zu hohe Mieten, falschen Branchenmix oder gerade auf die allgemeine wirtschaftliche Lage zurückzuführen, es fehlt aber wohl besonders ein "Magnet", der mehr Laufkundschaft auch für die anderen Geschäfte anzieht. Daran zeigt sich aber, denn wahre "Magnete" gibt es nicht so viele, daß der Bedarf an reinen Geschäftspassagen nicht nur in der Oldenburger Innenstadt bis auf weiteres gedeckt ist, solange Einwohner- und Arbeitsplatzzahl sowie Kaufkraft konstant bleiben. Beispielsweise das Kreyenzentrum (das eher in Bümmerstede als in Kreyenbrück liegt), könnte auch besser laufen.
Außerhalb der Einkaufszeiten pflegen die meisten Passagen verschlossen und die Passanten ausgesperrt zu werden. Dadurch wäre das große und so zentral gelegene Areal zwischen LzO und Hallenbad nicht mehr nur so öde wie jetzt, sondern geradezu tot, das muß man sich deutlich vor Augen halten. Von einer Einbeziehung in die belebteren Teile der Fußgängerzone kann dann keine Rede mehr sein, sondern im Gegenteil von einer totalen Ausgrenzung. Zu einer bestimmten Uhrzeit im urbanen Stadtkern einfach "die Bürgersteige hochzuklappen" führt gewiß nicht zu einem allgemein pulsierenden (Wirtschafts-)Leben.


Treppenhaus des 1839 erbauten und 1963 abgebrochenen Kavalierhauses. Der Raum galt als einziges Dokument spätklassizistischer Pompeji-Rezeption in der Stadt Oldenburg. (Aus: Jörg Deuter: Oldenburg, Ein norddeutsches Stadtbild, Oldenburg 1988, S. 116.)
 

IV.

Mein Konzeptvorschlag zur gemischten Nutzung des betreffenden Areals, den ich in der beiliegenden vollständigen Version des Leserbriefes in aller Bescheidenheit vor den kreativen Ideen anderer äußere, beinhaltet einen grundsätzlichen und mehrere nicht minder wichtige gestalterische Aspekte. Um Wiederholungen zu vermeiden bzw. um deutlicher zu werden als bisher möglich, pointiere ich hier thesenartig:

1. Da es sich bei dem Gebiet direkt nördlich des Oldenburger Schlosses um eine der geschichtsträchtigsten Zonen der Innenstadt handelt, sollte jegliche Neubebauung mit großer Rücksichtnahme auf Gewesenes und noch Vorhandenes geschehen. Auf stadtgeschichtlicher Basis wäre zunächst eine übergeordnete Leitidee zu entwerfen, welche der einstigen Bedeutung Rechnung trägt und die modernen Nutzungen teilweise an die historischen anknüpfen läßt. Dadurch wird eine Sinneinheit geschaffen, die sich in einem passenden Namen für die ganze Anlage ausdrücken und innerhalb des Stadtbildes auch städtebaulich einen eigenen Schwerpunkt mit Identifikationswert setzen sollte.
Weil die wichtigsten der dortigen Gebäude herrschaftliche waren und das markanteste von ihnen der Marstall mit angesetzter Reithalle, schlage ich demgemäß vor, die Anlage "Neuer Marstall" zu nennen und sie um eine kleine Mehrzweck("reit")halle als Sinnträger und eigentlichen Namensgeber zu gruppieren. Deren gering zu haltende Unterhaltskosten sollten sich aus Abgaben der Nutznießer des Ensembles finanzieren. Zu den möglichen Funktionen der Halle siehe Leserbrief.

2. Weitere wichtige Sonderfunktionen passend zum Innenstadtleben sollten an die anderen im Leserbrief genannten historischen Nutzungen des Areals anknüpfen und könnten bereits größtenteils Mieteinnahmen bringen: z.B. privates Wohnen über den Läden, ein kleines Hotel oder eine Pension, ein repräsentativer Konferenzsaal mit Blick zum Schloß, reichlich Parkplätze auch für Reisebusse (die neue Anlage als "touristisches Fenster" der Stadt). Besonders interessant scheint mir ein kostenloser, von der innerstädtischen Kaufmannschaft zu unterhaltender Kinderhort zu sein, wo einkaufende Eltern ihre Sprößlinge stundenweise unterbringen könnten (an Wickeltische und öffentliche Toiletten denken!), sowie eine kleine Ruhezone unter Bäumen, wo sich erschöpfte Stadtbummler ausruhen können, besonders die immer größer werdende Zahl der Älteren. Keine dieser Sonderfunktionen, auch nicht die für den "Marstall" u.a. vorgeschlagene Markthallennutzung, dürfte in irgendeiner Weise mit bestehenden Kultur-, Geschäfts- oder Sporteinrichtungen konkurrieren, sondern könnte sie mit ausschließlich innenstadtbezogenen Nutzungen ergänzen. Vergleiche auch hier den Leserbrief.

3. Diese verschiedenen Nutzungen sollten nicht alle unter einem einzigen Dach vereint werden, sondern die Anlage wäre als harmonisches Gefüge von kleineren und größeren Einzelhäusern sowie untereinander verbundenen Hausgruppen, Arkadengängen und Höfen (z.B. ein Spiel- und ein Ruhehof) mit Bäumen, Brunnen, Denkmälern oder zum historischen Ambiente passenden Kunstwerken als ein in sich geschlossenes kleines Stadtviertel um den neuen "Marstall" zu gestalten. Auf wie es heißt über 15.000 m² Grundfläche hat man reichlich Platz, auf immer noch wirtschaftliche Weise mehr zu errichten als einen einzigen allzugängigen Stahl-Glasbau, wie er mittlerweile in jeder größeren Stadt der Welt stehen könnte.
Das beste Raumkonzept ist nichts wert ohne eine ansprechende äußere Gestaltung. Wer würde bestreiten, daß man nur dort, wo man sich wohlfühlt, gerne seine Zeit verbringt, womit die Chance steigt, daß man dort bei entsprechendem Angebot auch sein Geld läßt?
Selbstverständlich müßte endlich wieder Rücksicht auf das benachbarte Schloß genommen werden, indem zumindest die Fassaden zu dieser Seite wieder Klassizismus-nahe gestaltet werden. Aus Kostengründen kann man wohl keine Gebäude in reinem Stil verlangen, auch wenn das wünschenswert wäre, sondern man wird durchaus moderne Architektur zulassen müssen, wenn auch eine mit feinem Gespür für historische Anklänge. Bei der Gelegenheit ließe sich auch die arg gebeutelte Mühlenstraße in Richtung alte Fachwerk- oder Backsteingiebelhäuser optisch wiederbeleben. Vielleicht will man es sich sogar leisten, exemplarisch eine alte Burgmannswehre nachzubauen? Jedenfalls seien die verschiedenen Gebäude insgesamt ähnlich aber individuell differenziert und innen den modernen Anforderungen gemäß zu gestalten. Auf dem weitläufigen Gelände könnten unterschiedliche Gebäudehöhen eingesetzt werden, um es gut auszunutzen. Zum Schloß hin müßte die Häuserzeile wieder niedrig wie die Schloßwache werden, um an den einst geschlossenen Ring von Hofgebäuden anzuspielen, der das Schloß umgab. Sinnvollerweise wäre das neue Areal bezüglich Funktionen, Aussehen und Nutzung als Mischform zwischen Schloß- und Innenstadtviertel zu erbauen, d.h. im Wechsel von mittel- und kleinteiligeren Elementen.
Sollte man nicht einsehen, daß es hier auch um Ensembleschutz und denkmalpflegerische Fassadengestaltung geht und sich in dieser wichtigen Sache vor Ort nicht einigen, könnte sich angesichts der vorhandenen Ämterstruktur am Ende noch Hannover dafür zuständig erklären, ausgerechnet in Oldenburgs Zentrum ein gehöriges Wort mitzureden.

4. Wenn dieses rahmenbildende, auf Stadtgeschichte fußende Konzept a) von namensgebender "Marstall"-Halle und b) von den das allgemeine Stadtleben ergänzenden Sonderfunktionen auf den kleineren Teilen des Neubaugeländes in architektonisch ansprechender Weise fertiggeplant worden ist, kann sich die Aufmerksamkeit dem Aspekt zuwenden, den viele für den wichtigsten halten: c) den Handel. Tatsächlich ist er nur der zweitwichtigste, denn auch das beste Wirtschaftskonzept nützt wenig, wenn die Akzeptanz für die Geschäfte und damit die Basis für Rendite fehlt. So aber hätte die Anlage die Chance, angenommen zu werden, weil diese Konzeption die Passanten nicht nur als Kunden begreift, die möglichst rasch und intensiv von Laden zu Laden oder durch Großgeschäfte geschleust und anschließend aus einem der Passagentore entlassen werden, sondern sie mit vielfältigen praktischen Annehmlichkeiten herzlich auch zum nicht konsumptiven Verweilen in einer Anlage einlädt, die soviel urbanen Charme ausströmen könnte, wenn ihre Betreiber nur bereit wären, diesen zuzulassen.
Jedermann und -frau ist sich darüber hinaus aber wohl bewußt, daß das Geld für den Unterhalt des wünschenswerten Stadtbummler-Ambientes hauptsächlich durch Handel verdient wird. Daher muß es das Anliegen aller sein, den Investoren und ihren Pächtern einen rentablen Betrieb zu ermöglichen, der freilich nicht denselben des bisherigen Innenstadthandels gravierend stören darf, sonst ergäbe sich am Ende für die Stadt nur ein Nullsummenspiel, und nicht etwa eine Anzahl neuer Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Die neue Anlage wird also reichlich Geschäfte enthalten müssen, und dabei wird es sich durchaus um den flächenmäßig überwiegenden Teil handeln. Zu beurteilen, ob es wirtschaftlich wirklich sinnvoll ist, ein neues großes Kaufhaus direkt neben ein schon lange bestehendes mit sehr ähnlichem Warensortiment zu setzen, sei dem Sachverstand der Kaufleute zu überlassen.

Das Projekt "Neuer Marstall" umfaßt demnach Kultur, Kommunikation und Kommerz. Wie kostengünstig die Bauausführung auch immer zu sein hätte: noch besteht die Chance, mit gutem Willen seitens der Verwaltung und des Investors die Stadtentwicklung dem unmittelbaren Umfeld gegenüber angemessen zu gestalten. So könnte ein allgemein akzeptiertes städtebauliches Kleinod entstehen, und keine angefeindete Großöde.

V.

Abschließend sei noch ein Wort zum bisherigen "Arbeitstitel" des Bauvorhabens gestattet. Den Namen des Investors in allen Ehren, aber man denkt doch nicht ernsthaft darüber nach, die neue Anlage im Süden der Innenstadt offiziell als "ECE-Center" zu bezeichnen? – Analog zum CCO im Norden und der sogenannten Knochentheorie, die zwei starke "Magnetzentren" an den wichtigsten Enden der Innenstadt vorsieht und gar nicht so abwegig ist, wie ihr zu unglücklichen Schlußfolgerungen reizender Name suggeriert. Beim CCO war das Kürzel noch originell; einmal kann sich eine Stadt wie Oldenburg so etwas erlauben, die auf großstädtisches Flair Wert legt, zumal es nach dem Berliner ICC klingt, das freilich ein internationales Kongreß- und nicht ein (wünschenswertes) regionales Kaufzentrum ist.
Doch "ECE-Center"! Das klingt wie ICE, ein moderner Zug, der in Oldenburg gar nicht Station macht. Spötter würden "Zug abgefahren" assoziieren, oder "zugig", für schnelles Passieren ohne Verweilqualität. Und dies als akzeptanzstiftende Bezeichnung für einen modernen Kaufpark, der direkt neben den jahrhundertealten historischen Zentren innerhalb der ehemaligen Stadtmauern entstehen soll! Sind wir inzwischen schon so sprachlos gegenüber der eigenen Geschichte geworden, daß uns in ihrem Dunstkreis nicht mehr als drei Buchstaben einfallen, die überhaupt keinen Bezug zur Umgebung, zum allmählich gewachsenen Ort haben? Anstatt hier einen künstlichen Fremdkörper zu schaffen, der nicht zuletzt deshalb der Bevölkerung suspekt wäre, besinnen wir uns doch stattdessen lieber wieder auf die eigenen Wurzeln und nehmen die örtliche Geschichte als Fundament, das uns in eine hoffentlich wirtschaftlich bessere Zukunft hineinträgt.

VI.

Über diese Grundideen hinaus habe ich wohlweislich keine Details erarbeitet. Denn ich gehe mit ruhiger Zuversicht davon aus, daß es in einer Stadt mit über 155.000 Einwohnern genügend befähigte und engagierte Fachleute wie Mitbürger gibt, die wertvolle Beiträge zum Gelingen des wichtigen Vorhabens leisten wollen; gerade weil sie wissen, daß vor dem Schloß nicht einfach nur irgendeine beliebige Geschäftsimmobilie zu bauen ist, sondern auf historisch-stadtplanerisch wertvollstem Terrain sensibel Weichen für die wenigstens mittelfristige Entwicklung der ganzen Stadt gestellt werden sollten.
Falls aber etwas entsteht, das nicht die allgemeine Zustimmung findet, möge niemand verzweifeln. Schließlich läßt sich durchaus alles wieder abreißen, wovon gerade in Oldenburg bekanntlich nicht einmal denkmalwürdige Gebäude verschont bleiben, geschweige denn schon bald die hier noch existierenden großflächigen Fassaden und menschenleeren Höfe aus den 60er Jahren. Die nächste Generation sollte gegenüber den heute rein wirtschaftlich Argumentierenden nicht einst einen ebensolchen Groll hegen müssen, wie heutige Zeitgenossen gegenüber denjenigen, die damals vor lauter Modernisierungstrieb und Autofreundlichkeit den Menschen und seine kulturell umfassenden Bedürfnisse vergessen hatten und ihn wahlweise auf Einzelfunktionen wie Arbeiten, Wohnen, Freizeit reduzierten, zu denen sich heute noch das Konsumieren gesellt, dabei ist doch alles Teil eines Ganzen.

Natürlich muß ich in Kauf nehmen, mit diesem Schreiben möglicherweise mehr Desinteresse als Zustimmung zu ernten. Sollte es nicht zu Überlegungen über die sinnvolle Einbindung eigener Geschichte in aktuelle Projekte anregen, kann es zusammen mit etlichen trefflichen Bemerkungen und brauchbaren Vorschlägen vieler Leserbriefschreiber wenigstens dokumentieren, wie engagiert und kenntnisreich die Bevölkerung über die besten Möglichkeiten der grundsätzlich begrüßenswerten Neubebauung des Marstall-Viertels gerungen hat.
Alle Angeschriebenen dürfen meine Anregungen zu einem geschichtsbewußten Umgang mit dem Baugrund der Innenstadt in diesem Sinne gerne weiterverwenden oder weitergeben. Vorrangig auf meine fachliche Arbeit konzentriert neige ich persönlich nicht dazu, eine Bürgerinitiative zu gründen. Es müßte genügen, wenn die Verwaltung ganz im Sinne aller Bürger initiativ würde. Ich fühle mich derweil an sachbezogene Neutralität gebunden, die aber, wie gezeigt, weder mit Meinungslosigkeit noch mit Mutlosigkeit einhergeht.
Als aufmerksamer und interessierter Beobachter habe ich nicht nach der privaten Zeit gefragt, die ich darauf verwenden mußte, Konzept und Denkschrift zu erstellen. Wenn sich auch in Zukunft alle Mitbürger ernsthaft für das Gemeinwesen einsetzen, ist mir nicht bange um unsere Stadt Oldenburg.

Martin Teller


Die Schloßfreiheit um das Jahr 1848, gezeichnet von Theodor Presuhn. Links das Schloß mit Holmerflügel neben dem Turm, Bibliotheksquertrakt und Remisenanbau, flankiert vom nördlichen Teil des klassizistischen Gebäuderings: In der hinteren Bildmitte die Schloßwache, links davon das zweiteilige Regierungsgebäude. Rechts davon nach dem Durchlaß zur Innenstadt die abgebrochenen Baulichkeiten: das Kavalierhaus, das ältere Marstallgebäude (mit Fassadenrücksprung), vorne zum Ufer der hier erst 1930 verrohrten Mühlenhunte die jüngere Stallremise.
(Aus: Der Berliner Platz in Oldenburg, mit Beiträgen von Stadtbaurat Horst Neidhardt, Haro v. Freytag-Loringhoven, Ludwig Schmidt, hrsg. von der Staatlichen Kreditanstalt Oldenburg-Bremen und der Bremer Landesbank, Oldenburg o.J. [ca. 1966], ohne S., erstes Bild des Bildteils.)
 

Auch hierzu erst einige formale und inhaltliche Anmerkungen, bevor weiter unten auf die Resonanz des Schreibens eingegangen wird.
Dem insgesamt siebenseitigen Rundbrief wurde noch der obige Leserbrief in seiner vollständigen Fassung beigefügt, damit die unterschiedlichen Nutzungsvorschläge für das Marstallviertel nicht verlorengingen.
Die erwähnten bereits 2004 "geschlossenen Verträge" hatten meines Erinnerns nach Absprachen zum Verkauf des Grundstücks an die Investorengesellschaft zum Inhalt, der eigentliche Ratsbeschluß zum Bau des "Centers" fiel (mit Votum von SPD, FDP und BFO, die über eine Stimme Mehrheit verfügten – die des Oberbürgermeisters) erst am 26.6.2006 drei Monate vor der Kommunalwahl.
Im hier wiedergegebenen Text sind einige Tippfehler beseitigt, die mir in der Eile unterliefen. Ein echtes Versehen war indes die oben korrigierte Bezeichnung "OCC" für das in der Heiligengeiststraße am nördlichen Ende der Innenstadt stehende "City Center Oldenburg" (ein Einkaufszentrum, das auf deutsch – der Sprache, die hier früher gesprochen wurde – Stadtzentrum Oldenburg heißt), welches selbstverständlich CCO abgekürzt wird. So sehr haftet also dieser bedeutungsvolle Dreibuchstabenname mir Oldenburger im Gedächtnis, daß es genügt, während einer Renovierungsphase kurz die Gebäudeschilder abzuhängen, schon ist er vergessen. Das Wort Center ist übrigens nicht etwa wenigstens englisch-europäische (Centre) sondern US-amerikanische Schreibweise, soviel an jenem Ort zu einer sinnvollen örtlich stimmigen Namensgebung. "Times Square Mall" wäre auch nett gewesen, aber so kann man immer noch das Kaufhaus am Schloßplatz nennen, wenn man anscheinend auf die ECE-Buchstaben denn doch verzichten will (s.u.).
Die Feststellung "Geschichtsträchtigkeit bisher fast überhaupt noch nicht erwähnt" galt für den Sommer 2004. Es scheint, als habe die stille Initiative des Verfassers inzwischen nicht unwesentlich dazu beigetragen, diesen Aspekt auch bei den Nicht-Fachleuten ins primäre Blickfeld zu rücken.
Geschichtsinteressierte Leser wissen, daß die traditionsreichsten historischen Gebäude in der nördlichen Ringzone um das Schloß abgesehen von diesem selbst die mittelalterlichen Mühlen waren, die an der danach benannten Mühlenhunte standen und im 19. Jahrhundert abgerissen wurden. Insofern wäre der komplette Bereich unter erweiterter Einbeziehung der Randzonen historisch korrekt natürlich als Mühlenviertel zu bezeichnen, das "Marstallviertel" ist nur ein Teil dessen und steht als Synonym für die einstigen herrschaftlichen Verwaltungsgebäude. Eine Mühle ist vielleicht romantischer als eine Reitanlage (solange man nicht einige Zeit seiner Jugend mit Pferden und Reitermädchen verbracht hat), läßt sich freilich weniger vielschichtig nutzen als eine (Reit)Halle, die idealerweise in den Neuen Marstall zu integrieren wäre. Da eine Wassermühle an diesem Standort nur schwerlich in einen größeren modernen Baukomplex einbezogen werden kann, konzentriert sich das hiesige Namens- und Gestaltungskonzept auf den Marstall. Freilich wäre es stadtbildlich und touristisch reizvoll, zusätzlich neben dem diskutierten Areal eine der gräflichen Mühlen wieder aufzubauen. Das wäre unter Teilöffnung des verdeckten Laufes der Mühlenhunte im jetzigen Grünstreifen zwischen Hunte- und Poststraße räumlich durchaus möglich (und passend zum gegenwärtigen städtebaulichen Konzept Oldenburg am Wasser), müßte aber mit Rücksicht auf die moderne Verkehrsführung gegenüber dem historischen Standort versetzt geschehen. Dennoch bliebe es einfacher und finanzierbarer, den Marstall und die klassizistische Häuserzeile in den Mittelpunkt historisierender Baugestaltung zu rücken.
 

Ansicht der historischen Ringbebauung um den Oldenburger Schloßplatz – Südseite, sog. Kavaliershäuser an der Huntestraße um 1940. (Nr. 4 - 7 z.T. auf der Luftbildaufnahme: rechts unten.) Hinter Nr. 5 wurde 1882 das erste kleine Oldenburger Hallenbad angebaut (1989 abgerissen). Bis auf Nr. 6, das rote Ziegelmauern hat, sind alle Häuser verputzt. Das mit seitlichem Eingang versehene und mit der Schmalseite zur Straße stehende Haus Nr. 1 ist kein Traufständer. Nr. 8 und 9 wurden 1906 abgebrochen, die Bäume in den 1960er Jahren zur Straßenverbreiterung gefällt. Aus: Hermann Sandeck, S. 67, s.o., bearbeitet von Martin Teller.
 

Die Resonanz auf den Rundbrief war recht unterschiedlich, die Reaktionen in jedem Fall sehr aufschlußreich: Manche Adressaten haben per Brief geantwortet, manche äußerten sich telefonisch, manche nur unter vier Augen. Manche erwartungsgemäß auch gar nicht, was dem komplizierten konfliktträchtigen Thema geschuldet sein kann oder der Tatsache, daß ihnen der Verfasser unbekannt war oder idealistische Privatinitiativen suspekt sind. Manche werden auch getreu dem Bürokratenmotto "lesen, lachen, lochen" gehandelt haben. Interesse und Engagement lassen sich nicht erzwingen, Privatleute mögen ihre Gründe haben, von Behörden kann man als Bürger allerdings eine Reaktion erwarten. Im Stadtbau- und im Kulturdezernat hat man es bedauerlicherweise nicht für nötig befunden, eine wie auch immer geartete Rückmeldung auf die direkt an deren Leiter adressierten Schreiben zu geben. Dabei gehört es zum üblichen Verwaltungsbrauch, wenigstens den Eingang eines Schreibens zu bestätigen, wenn man sich auch sonst nicht weiter damit befassen möchte. Das ist das mindeste, was eine professionelle Verwaltung leisten muß, um vom höflichen zwischenmenschlichen Umgang ganz zu schweigen.

Immerhin hat der damalige Oberbürgermeister Dietmar Schütz geantwortet, dessen Schreiben hier deshalb in vollem Wortlaut abgedruckt wird, weil es seine offizielle Stellungnahme ohne private Inhalte ist und abgesehen von seiner stets öffentlich vertretenen Position zum Bauvorhaben nichts Kompromittierendes enthält.

Brief des Oberbürgermeisters vom 7.9.2004

Vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie sich umfangreich und detailliert mit den von Ihnen gesehenen Problemen und Chancen der Entwicklung des Areals am Schloßplatz/Berliner Platz auseinander setzen.

Wie Sie richtig ausführen, handelt es sich bei dem Bereich um Schloßplatz und Berliner Platz um eine sehr geschichtsträchtige und städtebaulich sensible Zone der Innenstadt. Um für die Gestaltung der zukünftigen Einkaufspassage und des neuen Stammhauses der LzO eine möglichst hochwertige Form zu finden, die sich respektvoll in den situativen Kontext als Pendant zum prägenden Schloßbaukörper und den flankierenden klassizistischen Gebäuden einfindet, soll ein Architekturwettbewerb mit hochkarätigen und kompetenten Teilnehmern ausgelobt werden. Ziel solle eine unaufdringliche, aber dennoch selbstbewußt ihre Modernität nicht verleugnende Architektur sein. Eine Wiederherstellung der verlorenen gegangenen klassizistischen Baukörper in historisierender Formensprache ist jedoch nicht vorgesehen und erscheint mir auch nicht angemessen.

Die von Ihnen vorgeschlagene Nutzungsmischung mir Reithalle, Wohnen, Hotels, Kinderhort und natürlich auch Einzelhandelsflächen entbehrt zwar nicht eines gewissen Charmes, ist aber auf den zur Verfügung stehenden Flächen auch im Ansatz so nicht realisierbar. Die bekannte und auch von Ihnen genannte Flächengröße von 15.000 m² ist die auf drei Geschosse verteilte Verkaufsfläche, nicht die Grundstücksgröße. Gerade bei einer von Ihnen gewünschten locker gruppierten, niedrigen Bebauung wäre nur eine geringe nutzbare Geschossfläche umsetzbar. Die Lage des Areals innerhalb der Stadt sowie Struktur und Maßstäblichkeit der umgebenden Bebauung fordern städtebaulich eine hohe Ausnutzung der Flächen. Eine historisierend-kleinteilige Umgestaltung, z.B. der Mühlenstraße ist somit nicht vorstellbar und würde einen eklatanten Bruch innerhalb des stadträumlichen Gefüges bedeuten.

Abschließend möchte ich noch Ihre Bedenken bezüglich der zukünftigen Bezeichnung der ECE-Passage zerstreuen. Der von Ihnen genannte Name "ECE-Center" ist natürlich nur ein Arbeitstitel, der im Laufe des sich weiter konkretisierenden Verfahrens einer abgestimmten Namensgebung Platz machen wird.


Das 1821-26 erbaute und 1859-63 erweiterte herrschaftliche Prinzenpalais Ecke Damm/Huntestraße; diese links von der Dammbrücke unter den Bäumen zwischen Hunte und Palais. (Aus: Eckhardt/Elerd/Gäßler, S. 135, selbe Postkarte wie oben.)
 

Diese Antwort trug insofern zur Beruhigung des Verfassers bei, als zu erkennen ist, daß auch andere in ihrer Korrespondenz Sätze mit 30 und mehr Wörtern verwenden. (Ein listiger Gruß an den Redenschreiber des früheren Oberbürgermeisters, den geschätzten C.S.! [Oder wer immer sich angesprochen fühlt.])

Zunächst aber: Die dargestellten Probleme wurden bei weitem nicht nur vom Verfasser so gesehen. Nach einer Zeitungsumfrage seien fast drei Viertel der Bevölkerung gegen den Bau in der jüngst geplanten Form. (NWZ, Sa., 18.9.2004, Nr. 219.)

Nebenbei eine geschichtliche Anmerkung zu Schloßplatz und Berliner Platz: Die Leser sollten wissen, daß im obigen Schreiben die namentliche Unterteilung der Schloßumgebung in zwei Plätze nach heutiger Straßenbezeichnung richtig ist. Historisch aber, d.h. noch bis Anfang der 1960er Jahre, hieß der ganze Platz rings um das Schloß "Schloßplatz"; bis auf den Teil westlich des Durchganges vom Damm zur Innenstadt, der "Baumhof" genannt wurde, weil sich dort ein gräflicher Obstgarten befand und später der erste Schloßgarten angelegt wurde. Was heute Berliner Platz heißt, ist im wesentlichen der nach Norden erweiterte historische Schloßplatz, während dessen Name auf den früheren Baumhof überging (vgl. Zeichnung der Schloßumgebung). Das generelle Wort "Schloßplatzbebauung" ist also historisch korrekt wie modern vereinfachend zulässig, auch wenn weniger der Platz selbst als vielmehr dessen nördlicher Rand bebaut werden soll.

Zurück zum thematischen Inhalt des Antwortbriefes. Wie eine "ihre Modernität nicht verleugnende Architektur" aussieht, weiß jeder Oldenburger, der beim Gang über den Berliner Platz seine Augen nicht verschließen möchte. Es ist erstaunlich, daß die "hochkarätig und kompetent" besetzte Architektenrunde weder einsichtig noch imstande zu sein scheint, mit ihren Entwürfen der umgebenden einst und noch vorhandenen Klassizismusarchitektur Rechnung zu tragen. Vielleicht wäre sie es, wenn nicht die Stadtleitung von vornherein beschlossen hätte, auf das historische Ensemble keine Rücksicht zu nehmen, weil sie dessen Wert gar nicht erkennt ("nicht vorgesehen und scheint mir auch nicht angemessen [!]").
Dieser Punkt ist vermutlich sogar der wichtigste im ganzen Gestaltungskonflikt. Ich behaupte, wenn Politik und Verwaltung dem Investoren von vornherein entsprechende Fassadengestaltung verordnet hätte, wenn sie also von ihren planungsrechtlichen Lenkungsinstrumenten Gebrauch gemacht hätten, wäre der Widerstand in der Bevölkerung erst gar nicht so groß geworden. Beim Bau des ECE-Centers in Braunschweig war es doch auch möglich, als Auflage durchzusetzen, die Fassade des abgebrochenen Schlosses fast originalgetreu wiederherzustellen (wenn schon nicht das ganze Gebäude).
Da soll es bei uns nicht einmal möglich sein, eine moderne Fassadengestaltung lediglich mit leichten Anklängen an klassizistische Bauelemente zu installieren, wie ich es in meinem Rundbrief sehr zurückhaltend befürwortet hatte? Gefordert war doch gar nicht (nur erwünscht), die abgebrochenen klassizistischen Gebäude wenigstens in Teilen wiederherzustellen, was ich aber getan hätte, wenn das Braunschweiger Beispiel schon bekannt gewesen wäre. Dessen Vorbild zeigt, was auch für Oldenburgs Stadtbild sinnvollerweise herauszuholen wäre, wenn man es denn nur wollte. Die allzu nachgiebige Haltung der Stadtleitung gegenüber dem Investoren, die wohl durch den hohen Verschuldungsgrad der Stadt zu erklären aber nicht zu rechtfertigen ist, erinnert an den Bau der innerstädtischen Autobahn, auf die Oldenburg aus verkehrspolitischer Not und provinzieller Verspätung so erpicht war, daß man in Kauf nahm, keine richtige Lärmschutzwand mitgebaut zu bekommen, nur eine Sicht- und Spritzschutzwand, und die nicht einmal überall. In der Innenstadt war man offenbar derart wild auf das Kaufhaus, daß man einen recht niedrigen Grundstückserlös (3,9 Mio. €) ebenso in Kauf nahm wie den Verzicht auf einen beachtlichen Teil innerstädtischen Grundes, der seit jeher in öffentlichem Eigentum war, so wie man ohne Not auf fast jegliche Gestaltungslenkung verzichtete.

Die "auch [vom Verfasser] genannte Flächengröße von 15.000 m²" war ein Zitat der städtischen Angaben, auf die man sich mangels anderer Quellen verlassen mußte. Wenn man – bei allen Bedenken im Hinblick auf die Fundamente des benachbarten Schlosses – statt einer Hochgarage eine platzsparende Tiefgaragenlösung bevorzugte, würden oberirdisch ganz gewiß genügend Flächen für eine interessante und rentable Mischnutzung frei. Dies lehnt man stadt- und investorenseitig offensichtlich aber nicht aus Denkmalschutzgründen ab sondern mit Blick auf die zu erwartenden höheren Baukosten, die dennoch durch das Ergebnis größerer Gestaltungsfreiheit (und Ertragsmöglichkeiten!) bei den aufgehenden Gebäuden gerechtfertigt wären.
 

Der Gartenpavillon neben der Mühlenhunte am heutigen Standort, nach dem Bau der Straße Schloßwall ein Stück in den alten Schloßgarten hineinversetzt. Die Verschiebung vom ursprünglichen Standort weiter nordöstlich läßt sich auf historischen Karten anhand der 1867 erbauten Gemäldegalerie Augusteum nachvollziehen (gelbes Gebäude mit Eingangssäulen im Hintergrund. Dieses und folgende Fotos von Martin Teller).
 

In bezug auf die angeblich gewünschte "locker gruppierte, niedrige Bebauung" bin ich trotz anderslautender Formulierungen offenbar mißverstanden worden. Auch hier geht es mir nicht – etwa in einseitigem Blick auf das Kulturelle – um bloße Wiederherstellung von Gewesenem, vielmehr um dessen Einbettung in einen ganz neuen Gebäudekomplex, der m. E. aus unterschiedlichen Gebäudeteilen verschiedener Ausdehnung bestehen sollte. Ein derartiges Arrangement ließe – wünschenswert und sinnvoll – sowohl die komplette oder teilweise Wiederherstellung der historischen Fassaden oder Gebäude zum Schloß mit niedriger Traufhöhe zu als auch eine bauliche Verdichtung dahinter mit höheren Geschossen. Dabei habe ich durchaus keine völlig freistehenden Gebäude im Sinn, sondern einen Bauverbund, der durch intelligente Architektur aufgelockert und schön wirken könnte; indem (bei ansonsten engerer Bauweise) vorspringende Fassadenteile an der Sichtseite zum Schloß den Eindruck freistehender Klassizismusbauten entstehen ließen, die in Wahrheit aber rückwärtig verbunden wären. Es wäre der Versuch, unterschiedliche Geschichte und verschiedene Nutzungsansprüche auf kleinem Raum unterzubringen, quasi ein architektonisch sensibles Verbindungsensemble zwischen Schloß und Innenstadt zu gestalten. Dementsprechend war nie von einem Plan zur "historisierend-kleinteiligen Umgestaltung z.B. der Mühlenstraße" die Rede (auch eine eventuelle exemplarische "Burgmannswehre" wäre Teil des Gesamtbaus), lediglich von einer optischen Wiederbelebung des ganzen Viertels durch eine kreative Fassadengestaltung unter wechselnder Verwendung mittel- bis kleinteiliger Gestaltungselemente, was aber für manche schon weit jenseits aller denkbaren Möglichkeiten zu liegen scheint.
Die Behauptung, weil die umgebende Bebauung bereits so sehr verdichtet ist, würde eine im Gegensatz zum geplanten massiven Kaufhausblock aufgelockerte Baugestaltung "einen eklatanten Bruch innerhalb des stadträumlichen Gefüges bedeuten", stellt die Tatsachen auf den Kopf. Umgekehrt geschah dieser Bruch doch durch den Abriß der kleinteilig bebauten Straßenzüge zugunsten der Großbauten von Horten/Galeria, den Bankgebäuden und dem Hallenbad! Anstatt vorsichtigen Rückbau bzw. bauliche Auflockerung auch nur zu erwägen, soll der bestehende Zustand noch buchstäblich festbetoniert werden. Mit anderen Worten: Da das Kind schon so lange im Brunnen liegt, darf es jetzt ertrinken. (Das ist die gleiche Argumentation wie bei der gerichtlich legitimierten Auflösung der Bezirksregierungen: Weil der eigentliche Verfassungsbruch schon 1977 mit der Auflösung der Verwaltungsbezirke geschah, sei jetzt bei der Abschaffung der Bezirksregierungen nichts mehr zu machen. – Anstatt den verfassungsmäßigen Rechtszustand eben verspätet wiederherzustellen! Vgl. Artikel Freispruch erster Klasse in der NWZ Nr. 272 vom 19.11.2004. Es wäre interessant zu wissen, nach welchen Maßstäben solche Dinge wohl entschieden werden.)

Zum letzten Punkt des Briefes, der künftig zu befürchtenden Benennung des Kaufhauses, siehe auch oben in den Anmerkungen zum Rundbrief. Es wird eine "abgestimmte Namensgebung" versprochen, aber nicht gesagt, wer sich darüber mit wem auf welcher bzw. wessen Grundlage abstimmt. Zu befürchten ist, daß allzu simpler Bezug auf das Schloß genommen und die lokalgeschichtlich bedeutungsvollen Geschichtsstätten der Nachbarschaft nicht nur architektonisch sondern auch namentlich überdeckt werden.

Das Schreiben geht insgesamt nur zum Teil und dann auch noch teilweise falsch auf die vorgebrachten Argumente ein, weil sich sein Absender offensichtlich frühzeitig auf eine bestimmte Bauausführung festgelegt hatte (sich selbst oder dem Investoren gegenüber?) und auch zu noch so kleinen Veränderungen seiner (oder deren) Position nicht bereit oder imstande war. Das ist sehr bedauerlich, weil damit jegliche Bürgerbeteiligung ad absurdum geführt wird. Insofern ist schon zu verstehen, daß manchen Kollegen im Turm das wissenschaftliche Elfenbein lieber ist als der zugehörige Elefant in den Niederungen.
 

Gestalt des nördlichen Schloßplatzrandes im milden Licht des Septembers 2006. Blick zwischen Sparkasse und Schloß auf das stillgelegte Hallenbad (linker Anschluß des LzO-Gebäudes mit Schloßwache s.u. im kleinen Foto beim Center-Grundriß). Unter den Bäumen in der Bildmitte rechts der Elektrokästen das Bären-Denkmal.
 

Weitaus lustiger war das, was die Kaufhausgegner auf den Rundbrief geantwortet haben, danach ist man wieder milder gestimmt. Leider handelt es sich hier überwiegend um Privatpersonen oder um Offizielle, die sich allzusehr inoffiziell äußerten, so daß mit Rücksicht auf deren Privatsphäre und auf den eigentlichen Zweck dieser Homepage nur ein einziger Brief vorgestellt werden soll.

Schreiben eines prominenten Bürgers vom 1.8.2004

Für Ihren Brief vom 27.7.2004, den ich mit großem Interesse gelesen habe, danke ich Ihnen. Die in der Stadt Oldenburg begangenen Bausünden der Vergangenheit sind nur schwer wieder gut zu machen. Dabei führe ich als Beispiel nur die einfallslose Bebauung des Marktplatzes an. Deshalb bin ich mit Ihnen der Überzeugung, daß das Thema "Schloßplatz-Bebauung" wegen der großen und nachhaltigen städtebaulichen Bedeutung für unsere Stadt wichtig genug ist, um so gründlich wie nur irgend möglich behandelt und diskutiert zu werden.

Mit Ihren Überlegungen und Vorschlägen haben Sie in diesem Sinne einen beachtlichen und wesentlichen Beitrag geleistet, der hoffentlich bei dem noch ausstehenden Architektenwettbewerb Beachtung und von der Grundidee – soweit es unter den gegebenen Rahmenbedingungen möglich ist – auch Berücksichtigung finden sollte. Oldenburg ist es allemal wert.

Der Architektenwettbewerb hat wie oben erwähnt inzwischen stattgefunden. Man hat sich entsprechend den (Nicht-)Vorgaben der Stadtverwaltung nicht sonderlich mit Details wie Rücksichtnahme auf die historisch gewachsene Umgebung befaßt, wenn man von gewissen nachträglichen Korrekturen an der Kaufhausfassade zum Schloß absieht. Oldenburg wäre mehr Geschichtsbewußtsein wert gewesen. (Vgl. die Baumodelle mit den historischen Ansichten.)


Das in den 1990er Jahren wegen Baufälligkeit geschlossene Oldenburger Hallenbad auf dem Berliner Platz – von dieser Seite umwuchert wie ein im Urwald versunkener Maya-Tempel. Links am Bildrand die Bärengruppe.
 

Dennoch muß jener Entscheid keinesfalls die endgültigen Weichen gestellt haben, wie das eindeutige Votum der Bevölkerung gegen die Baupläne annehmen läßt und wie sich darüber hinaus in näherer oder fernerer Zukunft zeigen könnte. Die bürgerliche Anteilnahme an diesem Projekt sowie generelles Interesse an der Stadtentwicklung lassen sich jedenfalls nicht obrigkeitlich unterbinden.
Wenn man sich zu einer Sache aus fachmännischer Sicht geäußert hat, wird man oftmals um zusätzliche Beiträge gebeten, und man beschäftigt sich selbst zwangsläufig weiterhin mit dem Thema. In einem anderen Brief an eine Dame aus einem Bürgerverein erläuterte der Verfasser die Gestaltungsvorschläge des Rundbriefs näher, vertiefte sie nochmals und ging dabei auf einige persönlich erfahrene oder der Presse entnommene Gegenargumente ein. Dieses Schreiben sei hier leicht gekürzt wiedergegeben, gewisse Wiederholungen lassen sich indes nicht vermeiden. Auslassungen, Zusammenfassungen und Erläuterungen sind wie üblich durch eckige Klammern kenntlich gemacht.

Ergänzende Ideen vom 19.10.2004

[... Ich wäre] gerne bereit, mein historisch-geographisches Wissen über das zu bebauende Areal sowie meine fachliche Kreativität in ein offizielles Planungskonzept einzubringen – sollte es dahin kommen, daß doch noch versucht würde, eine der Umgebung angemessene Gestaltung zu erreichen und örtlich vorhandene Fähigkeiten für die Allgemeinheit zu nutzen. Dann würde ich allerdings nicht einseitig Partei ergreifen, sondern die historischen Kriterien gegenüber den Anforderungen der modernen Lebenswelt abwägen und versuchen, bei der Gestaltung des Möglichen für alle Seiten das beste herauszuholen.

Ein Kompromiß ist denn bereits mein mit der Denkschrift vorgestellter Konzeptvorschlag, der von reiner Rekonstruktion historischer Gebäudeensembles Abstand nimmt und allenfalls Teile daraus bzw. deren Geist "wiederbeleben" möchte. [D.h., die klassizistischen Fassaden durch historisierende Anklänge und die alten Gebäudenutzungen durch die "Reithalle" symbolisieren, M.T.]. Dadurch würden sich die Neubauten besser in die Innenstadt einfügen als der monolithische Komplex eines gesichts- und geschichtslosen Kaufhausfremdkörpers.
Trotz aller Bedeutung dieses Aspektes halte ich es für sehr einseitig und wenig fantasievoll, die Attraktivität eines Stadtzentrums nur durch vermehrte Kaufanreize steigern zu wollen. Zweifelsohne sind große Einkaufswelten für Käufer faszinierend und können Besucher aus dem weiten Umland an eine Stadt binden. Denselben Effekt haben aber auch intakte oder liebevoll restaurierte bzw. ansprechend umgestaltete historische Städte. Am besten haben es Städte, die idealerweise beides bieten können: viele attraktive Geschäfte in schöner historischer Umgebung. In bezug auf die Verkaufsfläche hat Oldenburg seit der Nachkriegszeit stark aufgeholt, bei der historischen Substanz jedoch in erheblichem Unfang mutwillig abgebaut. Daher wäre im Bereich Ensembleschutz jetzt mehr zu tun als bei der Ausweitung von Konsumfläche, zumal die Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung eher für Rückgang oder allenfalls für Stagnation der Kaufkraft sprechen. Von manchen an der Diskussion Beteiligten wird immer wieder die starke Konkurrenz der Stadt Bremen betont, wenn sie einem neuen großen Center das Wort reden. Auch wenn Kaufhäuser und Ladengeschäfte gewiß immer wieder an zeitgemäße Kaufgewohnheiten angepaßt werden sollten, wird bei derartiger Argumentation völlig übersehen, daß Bremen – immerhin eine Weltstadt mit großem Einzugsbereich und eigenem Flughafen – eben nicht nur durch seine vielen aber austauschbaren Kaufhäuser so anziehend ist, sondern vor allem wegen seiner historischen Altstadt, die in Teilen kürzlich sogar zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Gerade das Bremer Beispiel müßte deutlich machen, wie gewinnbringend eine Stadt mit ihrem historischen Pfund wuchern kann.
In den 60er Jahren kam es in Oldenburg zu einem eklatanten Bruch innerhalb des stadträumlichen Gefüges, als v.a. östlich des Marktes kleinteilig bebaute Straßenzüge restlos abgebrochen und durch Großbauten ersetzt wurden. An der Mühlenstraße stehen jetzt nur noch drei Gebäudekomplexe, die Straße ist stets fast menschenleer. Es gilt, solche Fehlentwicklungen durch behutsamen Rückbau zu korrigieren, anstatt sie noch weiter zu verschlimmern. Aus dem Grunde stelle ich mir auf dem Hallenbadareal eine Bebauung vor, die zwar einerseits den Grund in Höhe und Tiefe gut ausnutzen möchte, andererseits aber durch ganz bewußte Auflockerungen – etwa durch kleine Höfe, Arkadengänge und eine zum Schloß hin niedrigere Geschoßhöhe mit Rücksicht auf die verbliebenen historischen Nachbarbauten – sich dem immer noch größeren Bereich der Innenstadt gestalterisch anpaßt. Was noch besser erreicht würde, indem die Fassaden zumindest schloßseitig Klassizismus-nahe gestaltet würden, besser wäre ein entsprechend historisierender Stil für den Gesamtbau, was ihm städtebaulich ein individuelles Gepräge geben würde, auch wenn zur Innenstadt hin an die in Oldenburg noch gründlicher verlorengegangene Backsteingotik erinnert werden könnte. Innen wären die Gebäude selbstverständlich modern auszubauen. Zwar wäre hier die behutsame Fortsetzung der äußeren Stile besonders reizvoll, müßte aber auch finanzierbar bleiben.
Ich hatte vorgeschlagen, bei Bebauung und Namensgebung thematischen Bezug auf das herausragendste historische Gebäude zu nehmen, das sich dort befunden hat: den Marstall. Diese geschichtliche Reminiszenz würde das Neue sinnreich mit dem Alten verbinden und so nicht nur optisch, sondern auch substantiell ein Bindeglied zwischen eigentlicher Innenstadt und dem Schloß sein können – vorausgesetzt, es würde tatsächlich wenigstens so etwas ähnliches wie eine "Reithalle" entstehen, die dem Stall angeschlossen war. Stallartige Bauten wären im Stadtzentrum noch allenfalls als eine Art Lager zu nutzen, also für unsere Zwecke uninteressant, aber eine kleine Halle ließe sich durch allerlei innenstadtbezogene Nutzungen (siehe den der Denkschrift beigefügten Leserbrief) sehr gefällig in das moderne Kultur- und Geschäftsleben einbinden.


Südlicher schloßnaher Teil des Berliner Platzes mit der 1965 aufgestellten Tierplastik Drei stehende Bären (die zusammen mit der Umbenennung des historischen Schloßplatzes die Solidarität mit der zwischen 1961-1989 durch Mauerbau geteilten deutschen Hauptstadt versinnbildlichen sollten, deren Wappentier der Bär ist). Markant ist der weite Abstand zwischen Schloß und Hallenbad (am rechten und linken Bildrand), der genau der Entfernung des klassizistischen Gebäudegürtels vom Schloß entspricht.
 

Das ist aber gewissermaßen nur die Kirsche auf dem Kuchen. Wichtiger ist die Nutzung des übrigen Gebäudekomplexes. Wer immer ihn betreibt: es muß sich rentieren. Aber Konsum allein kann nicht das einzige Sanierungs- und Entwicklungskonzept der Hallenbad-Gegend sein. Was mir vorschwebt, ist nichts weniger, als ein Dienstleistungszentrum für die Innenstadt zu etablieren, das nicht primär in Konkurrenz zu den bestehenden Geschäften tritt, sondern deren Kunden beim Einkaufen unterstützen soll - durch nichtkonsumptive Funktionen, die wesentlich die Infrastruktur der Fußgängerzone verbessern und dadurch die ganze Innenstadt attraktiver machen könnten. Weshalb die Profiteure, die örtliche Kaufmannschaft, sich auch finanziell am Unterhalt des Neuen Marstalls beteiligen müßten. Eine entsprechende Nutzungsmischung könnte folgende Einrichtungen umfassen: ein Polizeikontaktbüro, eine Erste Hilfe-Station, das städtische Informationszentrum, einen (wohl nur an einkaufsstarken Tagen zu betreibenden) Kinderhort, einen [kleinen] Hof als (einziger innerstädtischer) öffentlicher Spielplatz, einen [kleinen] begrünten Hof als Ruhestation für erschöpfte Flaneure (etwa als Kleinausgabe des Groninger Prinzengartens; die Innenhöfe könnte man zum Schutz der Geräte und Ruhebänke ab einer gewissen Uhrzeit verschließen), eine kirchliche Seelsorgeeinrichtung, einen repräsentativen Konferenzsaal der Stadt mit Blick auf das Schloß, natürlich auch Einzelhandelsgeschäfte, Wohnen über den Läden, ein kleines Hotel oder eine Pension (Gästezimmer der Stadt?), öffentliche Toiletten, eine freundlich und sicher zu gestaltende Tiefgarage mit öffentlichen und privaten Stellplätzen, und wie davor bereits vorhanden einige Busparkplätze als Start- und Endpunkt für Busreisen (der Neue Marstall als touristisches Fenster, Visitenkarte der Stadt). Fähige Architekten würden dies alles oder Wesentliches daraus gewiß unterbringen können, denn die benötigte Fläche wäre teilweise gar nicht sonderlich groß bzw. ließe sich gut vertikal anordnen (oder auslagern: zum Ruhegarten könnte man auch den zentrumsnahen Cäcilienplatz umgestalten). Es ist auch gar nichts gegen ein Kaufhaus in mittleren Dimensionen einzuwenden, wenn es Raum läßt für die wichtigsten anderen Anforderungen an das Gebäude.
Warum sollte die ECE-Gesellschaft nicht alle wirtschaftlichen Teile des ganzen Komplexes betreiben, für ihre Dienstleistungen von den Kaufleuten bezahlt werden (Ausgleich zwischen lokaler Kaufmannschaft und ECE!) und ihre Einkünfte dann eben aus unterschiedlichen Sparten wie v.a. Vermietung beziehen? Im Gegenzug müßte die ECE dafür die z.T. nichtkommerziellen Nutzungsmöglichkeiten der kleinen Halle garantieren. Oder aber Stadt und Wirtschaft gründen eine gemeinsame Betreibergesellschaft, die "Oldenburg GmbH" (Ausgleich zwischen lokaler Kaufmannschaft und Verwaltung!).

Schöne Visionen? Selbstverständlich, und ich könnte sie noch weiter treiben [...] Aber nicht einmal im Ansatz zu versuchen, derart allgemeinnützliche Träume zu realisieren, böte ein trauriges Abbild unseres gegenwärtigen Gesellschaftszustandes: Keiner wagt mehr den großen Wurf, der mutig und gründlichst durchdacht zugleich ist, alles agiert in klein-klein und ausgetretenen Pfaden. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg - was gleichermaßen den Umkehrschluß zuließe.
Sie sehen, ich nehme das Thema historisch-moderne Bauleitplanung sehr ernst. [... Das] ist es, was ich unter einem für Oldenburgs Schloßumgebung passenden Gesamtkonzept verstehe.
Vielleicht setzt sich trotzdem wieder einmal nur eine inhaltsleere Gigantomanie durch, [moderne] Fassade statt [historischer] Substanz. Doch wir sollten nicht den Mut verlieren. Zur Not realisieren wir oder andere diese Ideen halt eine Generation später, wie auch manche Bausünden der 60er Jahre erst jetzt beseitigt werden können. Im Gegensatz zu einer kurzfristigen Sichtweise, die sich an Wahlperioden oder Geschäftsjahren orientieren muß, sollte man immer auch das Dauerhafte und Nachhaltige im Blick haben. Daher kann ich mir nicht vorstellen, daß die Mühen aller, die sich über das Gemeinwesen Gedanken gemacht haben, langfristig nicht doch in irgendeiner Form Früchte tragen werden.

[...] Ich wünsche Ihnen und allen Engagierten viel Erfolg im Ringen um ein besseres Oldenburg!


Westlicher Teil des Berliner Platzes bei den Bankgebäuden, der vom Center fünfgeschossig überbaut werden soll. Blick zur Mühlenstraße mit Postgebäude und Postturm am Philipp-Reis-Gang. Links neben dem ziegelroten Posthaus die graue Fassade des Galeria Kaufhofs (früher Horten).
 

Der Verfasser war einer der ersten Kritiker geschichtsvergessener Center-Bebauung, die sich an die Öffentlichkeit gewandt haben. Daß ein jeder sich entsprechend seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten einsetzt, scheint mir selbstverständlich zu sein. Das bedeutet aber auch zu erkennen, wann man sich zu Wort melden sollte, und wann schweigen sachdienlicher ist. Denn persönliches Engagement schließt nicht ein, sehenden Auges gegen eine Wand zu laufen. Wie schnell bei emotionalen Debatten im Wirkungskreis verschiedenster politischer, wirtschaftlicher und privater Interessen aus Gegnern unnötigerweise Feinde werden, sieht man allenthalben. Da das Engagement des Verfassers grundsätzlich ein fachliches bleiben soll, schien es angesichts persönlicher Dispositionen besser, nicht an öffentlichen Diskussionen teilzunehmen, den Lauf der Dinge gelassen zu beobachten und sich wieder seinen näheren Aufgaben zu widmen. Eigene Ideen offenherzig anzubieten und detailliert zu erläutern oder sie vehement aufzudrängen ist schließlich nicht dasselbe, man würde nur in seinem Engagement mißverstanden. Trotz allem soll die Hoffnung nicht aufgegeben werden, daß unserer Gemeinwesen letztlich auf die Fähigkeiten keines ihrer Mitglieder verzichten möchte.

Wie erwähnt war die Bebauungsfrage zum Zeitpunkt der Artikelerstellung noch nicht entschieden, denn der Ausgang der Kommunalwahl hat einen Schwebezustand hinterlassen: Der neugewählte Oberbürgermeister Professor Dr. Gerd Schwandner, der sich gegen die bestehenden Kaufhauspläne ausgesprochen hatte, verfügt im Rat über keine eigene Mehrheit, wo die Center-Gegner zwar den größeren Teil der Sitze innehaben aber aus politischen Gründen keine Koalition eingehen mögen. Man darf darin das Ergebnis auch und vor allem der Center-Diskussion sehen, die so manche Wähler veranlaßt haben wird, sich diesmal politisch anders oder für bewußte Stimmenthaltung zu entscheiden, was die bisherigen Verhältnisse durcheinandergebracht hat. Die Oldenburger reagieren empfindlich, wenn es um die "gute Stube" ihrer Stadt geht. Die Erfahrungen mit der massiven Umgestaltung durch die 60er Jahre-Bebauung und weiterer Bausünden haben offenbar tiefe Spuren im kollektiven Empfinden hinterlassen. Im Zuge der Diskussionen hat sich vermutlich mancher Bürger mehr Gedanken und Arbeit dazu gemacht als so mancher eigentlich Zuständige. Zu welcher Entwicklung dies schließlich führen wird, mögen die Leser den Tagesmedien entnehmen. Der Fortgang der Sache soll hier nicht mehr dokumentiert werden, doch einige grundsätzliche Gedanken und mögliche Kompromißansätze sind noch zu ergänzen.


Westlicher Teil des Berliner Platzes bei den Bankgebäuden, Blick von der Mühlenstraße zum Schloß. Links das von Schutzzäunen abgesicherte baufällige Hallenbad, in der linken unteren Bildecke das Geländer der Einfahrt zur Tiefgarage von Galeria Kaufhof (dessen schräg vorragende Fassade steht rechts außerhalb des Bildrandes, vgl. Luftbildaufnahme: über dem Hallenbad).

I.

Wie die Bebauung an solch zentralem Ort innerhalb der Innenstadt zu gestalten ist, kann keine rein wirtschaftspolitische Entscheidung sein, auch keine rein kulturpolitische, sondern nur eine strukturpolitische. Eine so flächengroße Stadt wie Oldenburg hat lebendige – kommerzielle wie kulturelle – Nebenzentren nötig, sollen die Vororte nicht zu reinen Schlafstädten veröden. Insofern haben aus gesamtstädtischer Sicht außer der Innenstadt auch die großen Neben-Geschäftszentren ihre Berechtigung, von denen mit Wechloy, dem jungen Kaufpark Kreyenbrück (nicht mit dem oben erwähnten Kreyenzentrum zu verwechseln) und demnächst mit IKEA am Osthafen nur die wichtigsten genannt sind. Die Innenstadt wird ihnen gegenüber immer ihr eigenes Gesicht bewahren, weniger weil hier markante und große Geschäfte zu finden sind (die Nebenzentren haben auch ihre jeweils besonderen Firmen), sondern weil Geschichte und historisches Ambiente das Stadtzentrum unverwechselbar geprägt haben. Selbstverständlich ist darauf zu achten, daß die Innenstadt in ihrer Funktion als Versorgungszentrum gegenüber den Nebenzentren nicht völlig deklassiert wird. Da sie ihren Wert aber nicht nur aus der Quantität des Angebots sondern gerade aus der Qualität des Ortes bezieht – man halte sich die Flaniermöglichkeiten der Fußgängerzone vor Augen – , ist man mit bloßem Vergleich realer und potentieller Verkaufsfläche in Quadratmetern gelegentlich auf dem Holzweg. Nach reinen Größenkriterien kann man nämlich auch jedes Einkaufszentrum auf der grünen Wiese betreiben, wird allein damit aber dem besondern Standort innerhalb eines historischen Stadtzentrums nicht gerecht. Anstatt mit kulturellen und architektonischen Pfunden zu wuchern, die man hier der grünen Wiese voraus hat, wird versucht, aus dem zentralen Marstallviertel durch Schaffung eines großen "Supermarktes" in entsprechendem Design eine bessere "grüne Wiese" zu machen als die an den Stadträndern.
Auch die von einzelnen Center-Gegnern eingebrachte Idee, anstelle des Hallenbadkomplexes einen riesigen Freiluft-Parkplatz einzurichten, verfolgt letztlich auch nur das Konzept eines von Stellplätzen umgebenden Supermarktes auf der grünen Wiese. ("Parken am Schloß" als städtebauliche Leitlinie? Das hatten wir in den 50er Jahren schon einmal, als Parkplätze fast bis an die Schloßmauern reichten.) Nein, an diese Stelle gehören innerstädtisch verdichtete Bauten, die wie dargelegt aber nicht zwangsläufig uniform und überdimensioniert sein müssen. Mitten im urbanen Kern eines Oberzentrums darf man anstelle ehemals wichtiger Gebäude keinen dauerhaften Parkplatz anlegen, es wäre reine Verschwendung städtischen Grundes. Als einnahmenbringende Zwischenlösung wäre solch eine Einrichtung natürlich hinnehmbar. Freilich wird man dem Parkbedürfnis Rechnung tragen müssen, um die Innenstadt nicht vom nun einmal bedeutenden motorisierten Individualverkehr abzuschneiden. Dabei sollte man aber das unselige Hochparkhaus in eine Tiefgarage umwandeln, um nicht die Stadt mit Autosetzkästen vollzustellen, welche von oben ihre Abgase auf die Passanten verteilen (nun auch noch mitten in der Innenstadt?), sondern die Blechkarawanen unter der Erde verstauen. Ein neuerliches Parkhochhaus wäre bereits das vierte in der Fußgängerzone. Im Burgstraßenviertel ist es doch auch möglich, eine Tiefgarage zu errichten. Die Nähe zum denkmalgeschützten Schloß wurde dieses Projekt verkomplizieren und sicher auch verzögern, dafür bekäme man am Ende die Gewißheit, daß man bei entsprechend sorgfältiger Bauausführung in diesem Areal auf lange Zeit keine Tiefgrabungen mehr vornehmen müßte.
Aus denselben Gründen wie beim Parkplatz läßt sich hier auch kein ausgedehnter Park anlegen, so schön der wäre. Einen Schloßgarten haben wir schon, dessen kultureller Wert seinerseits einmalig in Oldenburg ist. Die bestehenden Grünzonen um das Schloß müssen selbstverständlich erhalten bleiben. Im übrigen wurde der Gedanke an Grün und Ruhezonen bereits im Marstall-Konzept in einer dem Bebauungsareal angepaßten Weise berücksichtigt, wodurch ein für Oldenburg gänzlicher neuer und origineller "Hof der Stille" entstehen würde. Die nördliche Ringzone um das Schloß war spätestens seit dem Hochmittelalter keine bloße Freifläche mehr, sie war immer in irgendeiner Weise mit Gebäuden besetzt und sollte diesen urbanen Charakter auch behalten.


Auch auf der Nordseite des Berliner Platzes verhüllt pflanzliches Grün die Sicht auf die Hallenbadruine, die nur auf der Ostseite zur Busstation an der Poststraße freisteht, wo durch ein großes Netz die Passanten vor herabfallenden Teilen geschützt werden müssen. Hinter dem Bauzaun ein ehemaliges Springbrunnenbecken, dahinter als einziger bunter Farbklecks an dem grau-weißen Gebäude das 1977 geschaffene Wandbild Auerbach-Kopfsprung gehechtet.
 

II.

Die Alternative zum jetzigen Planungsverfahren, bei dem der Investor die wesentlichen Einzelheiten selbst bestimmt, wäre eine Eigentümervorgabe durch die Stadt gewesen, indem sie für das Viertel zuerst ein städtebauliches Konzept mit einigen bindenden Rahmensetzungen für spätere Käufer entwickelt hätte, bevor sie es veräußert. Nachdem durch intensive Auseinandersetzung mit dem historischen Gelände ein Rahmenplan ausgearbeitet worden wäre, durch den beispielsweise das Sinnkonzept eines Neuen Marstalles festgesetzt und dafür der Bau und Betrieb einer kleinen Mehrzweckhalle vorgesehen wäre, hätte man gar nicht zu restriktiv vorgehen müssen. Was das Äußere betrifft, hätte lediglich eine Art einfaches "Schuhkartonmodell" ausgereicht, das ganz grob die Umrisse der wichtigsten Gebäude vorgegeben hätte (gerade zum Schloß hin). Dann hätte man eine Ausschreibung machen und nach Interessenten suchen können, die auf Grundlage dieses Entwurfes mit der Stadt zusammenarbeiten wollen. Dabei hätte man sich natürlich in Detailfragen flexibel zeigen müssen, um den Käufern oder Pächtern Spielraum zu lassen, eigene Vorstellungen unterzubringen. Wenn in Oldenburg so viel Geld zu verdienen ist, wie die ECE-Gesellschaft erfreulicherweise annimmt, hätten sich sicher eine Reihe von ernsthaften kaufmännischen Investoren oder Bauträgern gefunden, die zur Rücksichtnahme auf die historisch sensible Umgebung bereit gewesen wären.
Doch man war städtischerseits anscheinend froh, einen Großinvestoren gefunden zu haben, der einem durch sein flächendeckendes Bauvorhaben solche Planungsdetails abnahm, die aber essentiell für die Einbettung des Areals in die übrige Innenstadt gewesen wären. Außerdem hätten städtische Vorgaben verhindern können, daß nun im Zuge des aktuellen Investorvorhabens ein weiteres historisches Gebäude abgerissen (anstatt restauriert) werden soll: das Sparkassenhaus nördlich der Schloßwache (Markt 13), im Kern ein Neo-Renaissancebau, der 1936 in falsch verstandener Anpassung an die klassizistische Wache seines Gebäudeschmucks beraubt, verputzt und weiß gestrichen wurde. Unscheinbar wie es heute ist, kann es anscheinend auch ganz verschwinden, um wie vom Investoren geplant einem gleichermaßen weiß gestrichenen unscheinbaren Neubau Platz zu machen.
Um es ganz klar zu sagen: Für Oldenburg wäre es in stadtbild- wie geschichtspflegerischer wie touristischer Hinsicht das beste, wenn die klassizistischen Ringbauten um das Schloß originalgetreu rekonstruiert werden könnten. Das ist im Moment realistischerweise aber nicht bezahlbar, daher müßte es im Bestreben aller aufgeschlossenen Bürger liegen, innerhalb eines neuen Gebäudeensembles wenigstens "Platzhalterbauten" entstehen zu lassen, die von Form und Größe an die Originale angenähert wären und wenigstens klassizistisch "angehauchte" Fassaden bekämen; mit der Hoffnung auf eventuelle spätere Vollrekonstruktionen der historischen Ringgebäude. Dabei ginge es aber nicht um zweckfreie L'art pour l'art-Bauten, vielmehr wären sie wegen des begrenzten Platzes notwendigerweise in die verschiedenen vorgeschlagenen Nutzungen einzubeziehen bzw. wären sogar deren zentraler Bestandteil (Marstall-Idee). Wie dargestellt könnten diese Gebäude aus Platzgründen wohl nur zur Schloßseite freistehen, während sie auf der Nordseite mit einem Gesamtbau verbunden und in ihn integriert sein müßten. Ganz ohne Kompromisse würde es vermutlich nicht gehen.


Grundriß des geplanten ECE-Centers am Oldenburger Schloßplatz (orange-gelb): flächendeckende Überbauung bis zur Mühlenstraße. (Aus: Nordwest-Zeitung vom 8.9.2004, Nr. 210. Die Bezeichnung „Alte Wache“ ist historisch unkorrekt. Im Gegenteil handelt es sich um die Neue Schloßwache, deren Vorgänger einst längs an der Ostseite des Regierungsgebäudes (durch das kleine Foto durchschnitten) auf der anderen Seite des Straßendurchlasses zum Marktplatz stand.)
 

III.

Man erinnere sich an die von der Stadt vorgebrachte Knochentheorie, die besagt, zwei starke Kundenmagnete am Nord- und Südende der Fußgängerzone würden für gute Kundenfrequenz auch in den Geschäften dazwischen sorgen. Während im Norden in der Heiligengeiststraße mit dem City Center Oldenburg inklusive Saturn-Kaufhaus schon solch ein starker Anziehungspunkt existiere, müsse im Süden mit der ECE-Passage erst ein solcher errichtet werden, damit das Geschäftsleben in der Innenstadt funktioniere. Als wenn mit dem Galeria-Kaufhof-Gebäude, vormals Horten, dort kein stark frequentiertes Kaufhaus vorhanden sei. Das ECE-Gebäude könne den Ort stärken, nun gut. Verwunderlich ist (neben der Überlegung, was ein Knochen wohl mit Magnetismus zu tun habe) aber die Annahme, nur kommerzielle Einrichtungen könnten eine solche Magnetwirkung ausüben. Rein kulturelle könnten es wohl gewiß nicht, das wird jeder zugeben.
Doch anscheinend ist nie jemand auf die Idee gekommen, hier einen dritten Weg zwischen Kultur und Kommerz zu gehen und mit einem Dienstleistungszentrum für die Innenstadt, genauer gesagt mit einem "Stadtbesuchs-Unterstützungszentrum", einen Magneten ganz neuer Art zu etablieren. Wie oben vorgeschlagen, ließen sich in einem am Schloßplatz erstellten Gebäudeensemble eine Vielzahl von nützlichen Einrichtungen etablieren (Erste Hilfe, Polizei, Infozentrum, Einkaufs-Transporthilfe, Reisebusstation, Kinderhort, Parkmöglichkeiten für Autos und Fahrräder, Ruhezone, öffentliche Toiletten, und was noch alles sinnvoll erscheint), die Besuchern jede erdenkliche Unterstützung bieten, ob diese nun des Kaufens, der Kultur oder nur des "Kuckens" wegen in die Innenstadt kommen. Zweck der Anlage wäre, den Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen, daß sie ihn möglichst verlängern und auf jeden Fall wiederkommen. In ihrer Konzentration auf diesen Ort wäre die neue Sammeleinrichtung sofort ein wichtiger Faktor in der Innenstadt. Das sollte sich auch baulich sensibel und markant gestaltet zugleich ausdrücken, was ein klassizistisches Ensemble in seiner Einmaligkeit mit großen Wiedererkennungswert zweifellos leisten würde. Diese Hauptidee vom Dienstleistungszentrum für die Besucher ist Teil des Konzeptes Neuer Marstall, die aber auch unabhängig von der Einrichtung einer Mehrzweckhalle verwirklicht werden könnte, wenngleich diese Halle ihrerseits das Besonderes des Ortes betonen und nicht zuletzt einen örtlich passenden Namen stiften würde.
Man sieht, eine "Magnetwirkung" könnte neben guten Einkaufsmöglichkeiten auch durch ein intelligent gestaltetes, besucherunterstützendes, die Zentralität der Stadt stärkendes "Servicezentrum" entstehen. Wenn man den Besuchern in ihren unterschiedlichen Wünschen und Bedürfnissen entgegenkommt und sie als ganze Menschen und nicht nur in ihrer Teilfunktion als Käufer anspricht, kann ein professionell betriebenes Dienstleistungszentrum für Einkauf und kulturell-touristischen Besuch der Stadt ein mindestens genauso attraktives "Knochenende" sein wie ein reines Kaufhaus der XXL-Klasse. Jenes würde die Innenstadt merklich aufwerten und ihr gegenüber der grünen Wiese nochmals ein ganz besonderes Gesicht geben. Da in dem Gebäudekomplex auch und nicht zu gering Ladengeschäfte erwünscht wären, um damit quasi die anlaufenden Gäste nach Behandlung ihrer anderen Anliegen gleich ins Geschäftsleben einzuschleusen und damit wiederum der örtlichen Kaufmannschaft einen Service zu leisten, versteht sich dieser Vorschlag als Kompromiß zwischen allen betroffenen Gruppen.
Was wäre daran auszusetzen? Daß die Einrichtungen unterhalten werden müssen, etwas Geld kosten, also ein wenig organisatorische Mühe bereiten? Wo es doch viel bequemer wäre, einem auswärtigen Großinvestoren alles zu überlassen, einschließlich der städtischen Identität? Wir brauchen kreative Ideen, neue Lösungen im Wettbewerb nach außen mit andern Städten wie nach innen zwischen den Hauptgeschäftsstandorten der Stadt, die alle ihr unverwechselbares Gesicht entwickeln und sich dadurch etablieren sollten. Diese Idee vom Besucherservice wird sich m. E. ohnehin durchsetzen, wenn Dinosaurierlösungen erst einmal gescheitert sein werden. Vielleicht nicht an diesem Ort, vielleicht nicht derart gebündelt, vielleicht zuerst in einer anderen Stadt. Dabei war Oldenburg mit der Fußgängerzone einmal bundesweit Vorreiter. Sie könnte diese Rolle mit einem derart besucherfreundlichen Zentrum wieder einnehmen.


Modell des geplanten ECE-Centers am Oldenburger Schloßplatz. Es entspricht nicht ganz dem letzten Diskussionsstand, nach dem das Parkdeck im Obergeschoß ohne Bedachung bleiben soll, um die Gebäudehöhe zu verringern, was freilich das (Luft)Bild von oben beeinträchtigen würde. (Aus: Nordwest-Zeitung vom 3.3.2006, Nr. 53.)
 

IV.

Auch nach den geschlossenen (formaldemokratisch korrekt zustandegekommenen) Verträgen über den Verkauf des städtischen Hallenbad-Grundstücks an die ECE-Gesellschaft ist bekannt, daß die Bürger in ihrer Mehrheit ein Center in jetziger Form ablehnen. Doch es ist noch nicht endgültig klar, ob und wie der neue Oberbürgermeister den Bau noch stoppen kann. Denkbar wäre auch, daß sich Stadt und Kaufhausunternehmen mit Rechtsmitteln und Verordnungen gegenseitig blockieren, so daß die Sache jahrelang weder vor noch zurück kann. Es hinge dann von den schlimmstmöglich denkbaren Auswirkungen von Errichtung des Centers oder seiner Nicht-Errichtung ab, ob darin eher eine Last oder eine Chance für die Stadtentwicklung läge. Da irgendwann allenfalls eine der beiden Optionen realisiert wird, könnte solch ein Vergleich ohnehin nur theoretisch stattfinden.
Auf der anderen Seite möchte man niemanden von vornherein ausladen, der bei uns und möglichst mit uns unsere Stadt gestalten möchte, sofern dieser die städtische "Hausordnung" einhält, und das heißt in Oldenburg nun einmal Rücksichtname auf historische Gebäudeensembles. Eventuell läßt sich ein Kompromiß mit der Investorenfirma erzielen, der doch noch wenigstens zu klassizistischen Fassaden führte und die wichtigsten Aufgaben eines Servicezentrums berücksichtigte, dessen Räumlichkeiten die Betreiberfirma selbst errichten und an die eigentlichen Träger verpachten könnte. Das Braunschweiger Beispiel zeigt, daß die ECE bereit und in der Lage zur Errichtung eines historisierenden Bauwerks ist, wenn man dies nur zwingend von ihr verlangt. Nach obigen Überlegungen, wie man den Eindruck freistehender Klassizismusbauten entstehen lassen und gleichzeitig mit einer rationellen Ausnutzung des Geländes vereinen könnte, wurden zu diesem Zweck rückspringende Fassadenteile erwogen. Wenn man sich das gegenwärtige Modell des Centersbaus ansieht, wo bereits solche Gestaltungselemente eingeplant sind, allerdings in schmalerer Form als für die klassizistischen "Platzhalterbauten" nötig, ist zu erkennen, daß man gar nicht so weit von einem Kompromiß entfernt zu sein bräuchte. Freilich wären dann noch manche Details zu klären, etwa die Gestaltung der bis dato öffentlichen Straße Häusing, die einer jüngst in der Presse vorgestellten Ansichtsskizze nach durch ein leichtes Glasdach noch als Straße erkennbar wäre. Wichtig wäre zu wissen, ob der Investor dort Hausrecht bekäme, und an welcher Stelle die Häusing abends abgeschlossen würde, die zukünftig als Durchgang zur Mühlen- und Poststraße ausfiele.
Die ECE-Firma besitzt Center in derart vielen Städten, da wäre Oldenburg nur eine weitere Nummer im großen Tableau. Inwieweit das zu Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten und deren gutwillige Mitgestaltung ermuntert, ist fraglich. Ob letztlich ein Kompromiß möglich wäre, hinge vom guten Willen auf allen Seiten ab. Alles weitere wären an dieser Stelle reine Spekulationen. Man wird dann in den Oldenburger Geschichtsbüchern lesen, was aus der Sache geworden ist.

* * *

Trotz allen Streites um die Sache und trotz deutlich unterschiedlicher Grade von persönlicher Betroffenheit sollten wir versuchen, darüber die gemeinsamen Interessen an einer gedeihlichen Stadtentwicklung nicht zu vergessen. Wir brauchen in Oldenburg auch weiterhin

Aufzählung

Bürger, die sich für ihr Gemeinwesen engagieren und auch bei Rückschlägen nicht gleich den Mut verlieren – Demokratie lebt von wechselnden Mehrheiten und Einsichten,

Aufzählung

Kaufleute, die Kultur nicht für die häßliche Schwester des Kommerz halten und Geld außer in Geschäfte auch in die Gesellschaft investieren – Demokratie bedeutet teilen,

Aufzählung

Politiker, die gleichermaßen engagiert wie bescheiden sind, dabei den Bürgern zuhören und sie mitnehmen – Demokratie ist zeitlich geliehene Macht,

Aufzählung

Kulturexperten, die historisch-künstlerisch wertvolle Substanz ihrer Stadt verteidigen und sinnvolle Einbettungen in die Moderne aufzeigen, ohne das gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich Machbare aus dem Blick zu verlieren – Demokratie blüht durch leidenschaftlichen Verstand.

Wir brauchen Mittelmaß, nicht Mittelmäßigkeit.

 

Martin Teller, 24.10.2006

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