Das Oldenburger Wunderhorn

Reflexionen 7

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Per S-Bahn in die Region
    Antike Krieger auf einem Oldenburger Bauernhof


Per S-Bahn in die Region

Die Nordwestbahn möchte Bremen, Oldenburg und beider Umland mit einem S-Bahn-Verkehr verbinden, worüber im März und April 2008 mehrfach in der NWZ zu lesen war. Der Verfasser macht sich schon geraume Zeit Gedanken über den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Oldenburg und stellt aus aktuellem Anlass eine ältere Initiative dazu vor – diesmal sozusagen nicht in der Eigenschaft als Historiker, sondern als verkehrsplanerisch tätiger Geograph.

Wenn ich als Schüler oder Student in Oldenburg mit dem Bus fuhr und der mal wieder im Stau stecken blieb, habe ich mir oft halb im Scherz halb sehnsüchtig gesagt: „Oldenburg braucht eine U-Bahn!“ Wenigstens auf der Strecke der größten innerstädtischen Entfernung hatte ich sie mir gewünscht, in Nord-Süd-Richtung, und eventuell noch eine Querlinie in Ost-West-Richtung dazu. Natürlich wäre solch ein Unternehmen nicht durchführbar gewesen, weil – ganz abgesehen von der kaum zu bewältigenden Finanzierung – der Oldenburger Untergrund wohl viel zu durchnässt wäre, um die Sache technisch mit vertretbarem Aufwand bewerkstelligen zu können.

Umso aufmerksamer hatte ich in den 1990er Jahren aufgekommene lokalpolitische Pläne verfolgt, die auf den städtischen Bahngleisen ein S-Bahn-System einrichten wollten. An die Gleise gebunden könnte die S-Bahn zwar nicht so zentral durch die Stadt fahren wie eine U-Bahn. Da Oldenburg aber über ein Gleisnetz verfügt, das fast alle Stadtteile mehr oder weniger gut anbindet, erscheint der Vorschlag als interessante und vor allem durchführbare Alternative.

Mit studentischer Begeisterung schrieb ich am 8.4.2001 unter dem Titel ÖPNV – Eine S-Bahn für Oldenburg? einen Brief an den damaligen Oberbürgermeisterkandidaten Dietmar Schütz (nachträgliche Erläuterungen für die Leser in eckigen Klammern):

Seit Jahren verfolge ich sehr interessiert und mittlerweile ungeduldig die von der SPD angestoßene Diskussion um ein in hiesiger Region einzuführendes S-Bahn-System. Ein erneuter Zeitungsartikel zum Thema in der NWZ vom letzten Samstag bestärken mich in der Annahme, Sie seien der richtige Adressat für meine in der Anlage beigefügte Studie potentieller S-Bahn-Stationen im Raum Oldenburg [siehe Karte].

Weil ich weiß, daß Politik die Kunst des Machbaren ist, verzichte ich jetzt darauf, im einzelnen die Vorzüge dieser oder jener Haltestation darzulegen (kann das aber gerne ausführlich nachholen), und hoffe zunächst auf grundsätzliches „grünes Licht“ für diese langersehnte – und angesichts der regelmäßigen Staus auf den Ausfallstraßen gleichermaßen dringend nötige wie zukunftsweisende – Einrichtung.

Drei Überlegungen sollten aber in die Planungen einfließen, damit überhaupt eine Chance auf Verwirklichung und dauerhaften Bestand eines S-Bahn-Systems besteht:

1. Je dichter das Netz der Haltestationen geknüpft ist und je regelmäßiger die S-Bahnen fahren (Pluspunkte wären gerade in den späten Abendstunden zu sammeln!), desto größer wird die Akzeptanz und Nutzung der neuen Verkehrseinrichtung sein, und umso eher rechnet sich die Investition. Vor der Einrichtung neuer Haltepunkte und – wo machbar – sogar neuer Schienenstücke, die über das alte Bahnnetz hinausgehen, wäre also nicht zurückzuschrecken.
Beispielsweise wäre die Anbindung von Ofen und Famila am Posthalterweg leicht über den Gleisanschluß der Bundeswehr über das Flughafengelände zu bewerkstelligen. Um möglichst viele Menschen gerade im Stadtnorden und in Eversten zu erreichen, könnte in einer späteren Phase auch an eine Neuverlegung von Gleisen entlang der Stadtautobahnen gedacht werden. Ganz kühn wäre der Plan, per Abzweig von Bloh über Bloherfelde und Petersfehn den Küstenkanal zu überqueren, in Richtung Tungeln/Wardenburg vorzustoßen und eventuell als Ringschluß wieder an die Linie Sandkrug-Oldenburg anzuschließen, um auch diese infrastrukturschwachen Gebiete stärker an Oldenburg anzubinden (zumal in Hundsmühlen in den nächsten Jahren ohnehin mit starkem Wohnungsbau zu rechnen und südlich des Sprungweges ein Güterverteilzentrum in der Diskussion ist).

2. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, die S-Bahn würde in Konkurrenz zum bisherigen, teuer subventionierten [Oldenburger] VWG-Bussystem treten. Vielmehr sollte sie sich als verkehrspolitisch sinnvolle Ergänzung dazu verstehen, was die Chance böte, den Verlauf mancher Buslinien zu optimieren. Der ZOB [Zentraler Omnibusbahnhof] wiederum würde durch ein weiteres Verkehrssystem noch aufgewertet.
Natürlich wäre die VWG organisatorisch einzubinden und finanziell zu beteiligen. Warum sollte die S-Bahn nicht von einem Konsortium aus NWB und VWG, Stadt und Gemeinden betrieben werden?

3. Denn sinnvollerweise wären die unmittelbar benachbarten Gemeinden einzubeziehen, um bessere Verkehrsmöglichkeiten zu schaffen, die Einpendler und Einkaufbummler an die Stadt zu binden und umgekehrt von PKW unbeschwerten Tagestourismus von Oldenburg nach auswärts zu ermöglichen. Dafür müssten die S-Bahn-Linien wenigstens bis in die Zentren der Nachbargemeinden ausgedehnt werden.
Mein Vorschlag für weitere Stationen über die in der Karte eingezeichneten hinaus:
- Richtung Rastede: Neusüdende, Südende, Bahnhof Rastede;
- Richtung Hude: Bahnhof Wüsting-Wraggenort, Hinterm Reiherholz, Bahnhof Hude;
- Richtung Bad Zwischenahn: Wehnen (Woldsee), Kayhauserfeld, Kayhausen, Bahnhof Bad
Zwischenahn;
- Richtung Sandkrug: Schultredde, Bahnhof Sandkrug.
Gesetzt den Fall, es ließe sich durchsetzen, wäre es sehr zu begrüßen, wenn die Bahnlinie nach Brake wieder in Betrieb genommen werden könnte. Die Wiederverlegung des aufgenommenen Gleisstücks von Ohmstede nach Etzhorn habe ich auf der Karte bereits vorausgesetzt.


Kartengrundlage: Topographische Karte 1:50.000, L 2914 Oldenburg (Oldenburg), Normalausgabe, 7. Auflage 1990, Karte verkleinert auf ca. 25% Prozent der Originalgröße und nichtrelevante Bereiche ausgeschnitten, thematische Bearbeitung von Martin Teller (Kennzeichnung möglicher S-Bahn-Haltestellen), Oldenburg 2001. Innerstädtische Haltestellen blau, ländliche grün, 500 m-Einzugsbereiche rot. Die eingezeichneten Stationen sind keine definitiven Vorschläge sondern Diskussionsgrundlage. Zur bequemen Anbindung der Oldenburger Innenstadt läge z. B. keine Haltestelle näher als eine am Pferdemarkt, die sich aber in nächster Nachbarschaft zum Oldenburger ZOB befände.

Haltestellen des Plans (innerstädtische Umsteigehaltestellen unterstrichen)

Ost-West-Strecke: (von/nach Bremen, Hude), Tweelbäker Weg, Hasenweg, Sandweg, Stedinger Straße, ZOB, Pferdemarkt, Botanischer Garten, Artillerieweg, Wechloy (Bahnunterführung Ammerländer Heerstraße), Küpkersweg, Bloh.
Nord-Süd-Strecke: (von/nach Rastede, Varel/Dangast?), Am Strehl, Bahnhof Ofenerdiek, Diedrichsfeld (von dort möglicher Abzweiger nach: Am Alexanderhaus, Ofen, Posthalterweg-Famila), Bürgerbusch, Feldstraße (Haltestelle Alexanderstraße), Melkbrink, Pferdemarkt, ZOB, Stedinger Straße, Herrenweg, Bremer Heerstraße (Bahnhof Osternburg), Kiebitzweg, Klingenbergstraße, Bahnhof Krusenbusch, Sprungweg, Siedlung Wunderhorn, (von/nach Sandkrug, Ahlhorn?, Cloppenburg?).
Eventueller Abzweiger nach Ohmstede und Etzhorn ab ZOB: Wehdestraße, Waterender Weg, Elsflether Straße, Hochheider Weg, Helmskamp, (von/nach Brake?).

Am 4. Mai 2001 bekam ich darauf eine Antwort von Wolfgang Wulf, MdL (SPD):

Vielen Dank, auch im Namen von Dietmar Schütz, für Ihr Schreiben vom 8. April 2001.

In der Sache sind wir uns völlig einig. Unser Ziel ist nach wie vor die Einführung eines City-Bahn-Systems und dieses Ziel haben wir auch im Kommunalwahlprogramm so beschlossen. Die Vorstellung ist dabei, in einem Verbund von Nordwest-Bahn, Bremer Straßenbahn AB, DB AG und Hinzuziehung der VWG ein Konsortium zu schaffen, dass das realisiert.

Ihr Vorschläge sind sehr hilfreich und deswegen würde ich es sehr begrüßen, wenn Sie an der Entwicklung entsprechender Konzeptpläne der Oldenburger SPD mitarbeiten würden. Wir nehmen Sie in den Verteiler auf und werden Sie zu unseren Terminen einladen.

Letzteres ist zwar nie geschehen, aber es ist zu begrüßen, dass der Zug nun nach mehr als sieben Jahren buchstäblich Fahrt aufzunehmen scheint. Solche Infrastruktureinrichtungen dienen selbstverständlich der ganzen Bevölkerung, weshalb der Einsatz dafür letztlich parteipolitisch neutral zu verstehen ist und wohl auch nur Erfolg hat, wenn er fraktionsübergreifend getragen wird.

Rückblickend möchte ich zu meinen damaligen Vorschlägen sagen, dass wenn versucht wird, das Unmögliche zu denken und man sich nicht gleich am Anfang einer Entwicklung Denkverbote auferlegt, man zu kreativen Lösungen kommen und manchmal sogar das Unmögliche realisieren kann. (Bestes Beispiel ist die Wiederentdeckung und Rettung des Heidenwalls.)
Dennoch wäre wohl genau zu prüfen, wieweit der unbestreitbare Nutzen vieler Haltepunkte, durch die man einen größeren Kreis von Fahrgästen erreicht, durch eventuell höhere Kosten und längere Haltezeiten bei häufigeren Haltestops neutralisiert würde, bzw. ab wie vielen Stationen das der Fall wäre. Je näher die Haltestellen zu den potentiellen Fahrgästen rücken, desto niedrigschwelliger würde das S-Bahn-Angebot.
Bevor es eventuell zu Streckenneuverlegungen käme, die wegen Geländenutzungskonflikten natürlich schwer durchsetzbar wären, wären erst einmal aufgegebene Gleisstrecken wieder zu reaktivieren, was aus gleichem Grunde schwierig würde. Was würde beispielsweise in Oldenburg-Etzhorn schwerer wiegen: der Umweltschutz auf der wiederbegrünten Bahntrasse oder die Einrichtung eines umweltfreundlichen Massenverkehrsmittels – wenn zu berücksichtigen wäre, dass die Gewöhnung an einmal etablierte Zustände eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt (der Trägheitsfaktor)? Unverhältnismäßig teuer dürften neue Gleise auf einem immer noch vorhandenen Bahndamm nicht sein.
So richtig die Überlegung ist, Nachbargemeinden in das S-Bahn-Netz einzubinden, würde ich heute über meine damaligen Vorschläge hinausgehen und unbedingt einen vielbesuchten Endpunkt an jeder Fahrtstrecke wählen, d. h. einen größeren Ort, was erst die nötigen Fahrgastzahlen bringt. Auf der vorgeschlagenen Nord-Süd-Strecke wäre Rastede im Norden wohl ausreichend (besser Varel mit dem Kurort Dangast), Sandkrug im Süden aber nicht. Da müsste es mindestens bis Ahlhorn wenn nicht bis Cloppenburg (Besuchermagnet Museumsdorf!) gehen.

Wenn die Einrichtung eines S-Bahn-Netzes tatsächlich gelingen sollte, dürften sich die Oldenburger zunächst über die Ost-West-Route Bremen – Oldenburg – Bad Zwischenahn freuen, die zwei wichtige regionale Ziele ansteuert. Der Wüstinger Bahnhof auf dieser Strecke ist begrüßenswerterweise mittlerweile von der Deutschen Bahn wieder in Betrieb genommen. Neben einem jetzt diskutierten Zwischenhaltepunkt Wechloy genau in der Mitte beider Oldenburger Universitätsstandorte (Ammerländer Heerstraße nahe der Bahnunterführung auf Höhe der Straße Bäkeplacken) hatte ich zwecks einer größeren Haltepunktdichte vorgeschlagen, zusätzlich für jeden der Unistandorte Haarenfeld und Wechloy eine eigene Haltestelle einzurichten, da hier das Fahrgastaufkommen groß genug sein sollte, wobei ich beispielsweise auch das nahe Altenheim am Schützenweg und die höhere Wohndichte dieser Gegend im Blick hatte.
Solche stadtteilindividuellen Überlegungen waren auch für die anderen erwogenen Haltestellen ausschlaggebend, ohne mich damit für jede einzelne gleichermaßen stark machen zu wollen. Im Gegenteil war die Karte auch schon im Jahr 2001 nichts als eine erste Studie, der eine genaue Bedarfsanalyse folgen müsste. Mein Ziel war es, mit den S-Bahn-Haltestellen in die Nachbarschaft möglichst vieler Anwohner zu gelangen, um ihnen das Nahverkehrsmittel praktisch erscheinen zu lassen. Die Karte zeigt (im wahrsten Sinne des Wortes) weiße Flecken vor allem im Südwesten, was den Gedanken an Gleisneuverlegungen aufkommen ließ. Möglicherweise ist das aber unnötig, wenn das vorhandene Bussystem in sinnvoller Ergänzung als Zubringer für die S-Bahn eingerichtet werden könnte. Mit weniger Haltepunkten auf Stadtgebiet hätte sie dort weniger den Charakter einer Straßenbahn, (die innerstädtisch durchaus angebracht wäre), sondern könnte ihre höhere Geschwindigkeit zeitlich vorteilhafter ausspielen, würde dann aber wohl nicht in sonderlich kurzen Takten fahren.
Geplant ist von der Nordwestbahn im näheren stadtoldenburger Umkreis zunächst nur diese eine Ost-West-Strecke zum wichtigen Zielort Bremen (Flughafen!), eine für das Oldenburger Stadtgebiet nützliche Nord-Süd-Fahrt wäre in Verbindung mit relevanten Endpunkten im Oldenburger Land noch zu fordern. In der Stadt Oldenburg wären dann wenigstens die ehemaligen Stadtteilbahnhöfe Osternburg, Krusenbusch, Ofenerdiek und die Haltestellen Alexanderstraße und Neuenwege (Tweelbäker Weg) für die S-Bahn wieder einzurichten sowie wenigstens eine für beide Universitätsstandorte in Wechloy. Trotz wünschenswerter weiterer Haltepunkte dazwischen wird man sich aus pragmatischen Gründen zunächst mit nur wenigen Stationen zufrieden geben müssen, kann dann bei Bedarf aber weitere einrichten. Es liegt im Interesse der Oldenburger in Stadt und Land, intensiv über ihr öffentliches Personennahverkehrssystem und den Nutzen einzelner Haltestellen zu diskutieren.

Martin Teller, 10.4.2008

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Antike Krieger auf einem Oldenburger Bauernhof

Vielfach werden Monumente herrschaftlicher Selbstdarstellung nur zufällig überliefert. Was anderswo gewaltige versunkene Statuen oder Palastreste sind, kommt im Oldenburger Land etwas bescheidener aber gleichwohl spektakulär daher. Auf einem unserer Bauernhöfe hat sich ein Steinfries erhalten, der mit dem Oldenburger Grafenhaus in Verbindung gebracht werden kann.


Fotos: Annemarie Harich-Golzwarden, 4.3.2009.

Woran denken Sie spontan beim Stichwort „Bauernhof“? Vielleicht an alte Häuser unter hohen Bäumen, an dörfliches Leben, an allerlei Nutztiere, an Felder, Wiesen und Weiden, an moderne Landmaschinen, an Brüssel und Agrarsubventionen, an Nahrungsmittel im Kühlregal der Supermärkte. Aber an eine Schar antik anmutender Reiterkrieger wohl eher nicht.
Auf unseren älteren Bauernhöfen hat sich häufig eine Vielzahl von historischen Alltagsgegenständen erhalten, die für die Landwirtschaft benötigt wurden. Zusätzlich finden sich vielfach auch nichtalltägliche Dinge, die dem Bedürfnis nach Unterhaltung und Bildung, bei reichen Bauern auch nach Repräsentation und Luxus dienten. Ein solcher ganz besonderer Kulturschatz ist der hier erstmals öffentlich gezeigte Sandsteinfries, der sich auf einem größeren Bauernhof im Oldenburger Land seit mehreren Generationen im Besitz der Eigentümerfamilie befindet. Was dieses Relief besonders interessant macht: Laut der Familienüberlieferung soll es „vom Oldenburger Schloss“ stammen. Näheres ist nicht bekannt.

 


An der Spitze zwei Trompeter?


Reihenfolge der Ausschnitte von rechts nach links.

Grund genug, sich das Kunstwerk einmal genauer anzusehen, von dem nur die linke obere Ecke erhalten ist. Wie groß der Fries insgesamt war, lässt sich nicht mehr sagen; wohl aber, dass er am rechten Rand und im unteren Bereich abgebrochen ist oder abgeschlagen wurde. Dargestellt sind zwei Reihen von Berittenen in klassisch-antik erscheinender Bekleidung bzw. Rüstung. Zu erkennen sind Helme mit Federbüschen als Zier, die man von den Griechen und Römern kennt, zwei eher gerade Schwerter und ein gekrümmtes säbelartiges, alle drei mit ähnlichem Griff, und wohl eine Art Marschallstab. Sättel sind nicht recht zu identifizieren, fest steht aber, dass die Krieger „klassisch“ reiten, nämlich ohne Steigbügel, die in Europa erst ab 700 n. Chr. verwendet wurden. Im Hintergrund, im oberen Teil der Szene, stürmen etwa 10 Mann zum Teil mit gezogenen Schwertern in wildbewegtem Galopp nach rechts. Unten, von der Bruchkante zerschnitten, sind die Krieger größer dargestellt. Man sieht links außen einen besonders großen und rechts außen (an der rechten Bruchkante) zwei behelmte Köpfe mit Federbüschen, die jeweils zur Mitte schauen, wo sich anscheinend eine Kampfszene abspielt: In der linken Mitte hat ein grimmig blickender Krieger seinen säbelbewaffneten rechten Arm wie zum Hieb hoch erhoben, ihm rechts gegenüber kann man gerade noch einen sich aufbäumenden Pferdekopf erkennen, der dazugehörige Reiter wird sich unterhalb der späteren Bruchkante befunden haben. Die vorgesehene Richtung der Bildbetrachtung scheint von rechts nach links auf den größten Mann zuzulaufen. Könnte man die Szene im Hintergrund noch für einen bloßen Kavallerievorstoß halten, wird durch die untere deutlich, dass es sich um eine Schlachtdarstellung handeln muss, ob nun eine bestimmte antike, eine antikisierende mit zeitgenössischem Hintergrund oder eine reine „Idealdarstellung“.


Die Darstellung dieses Reiters mit "Marschallstab"(?) erinnert an frühneuzeitliche Schlachtengemälde.

Es stellt sich die Frage nach dem Alter des Schlachtenfrieses, das einen Hinweis zu seiner Geschichte geben könnte. Zur näheren Bestimmung, zu der sicherlich Kunsthistoriker Wertvolles beitragen könnten, wären Art und Ausführung seiner Figuren mit den wenigen erhaltenen ähnlichen Objekten aus der Stadt Oldenburg zu vergleichen. In Frage kämen dafür 1. außer dem figürlichen Schmuck an der ältesten Fassade des Oldenburger Schlosses, dem Anton Günther-Bau (im Nordwinkel mit dem Hauptturm), noch 2. die ebenda im Landesmuseum Oldenburg fragmentarisch erhaltene Innenausstattung eines Rittersaales aus dem in der Mühlenstraße 22 abgebrochenen Graf-Christopher-Haus und 3. die sieben Viertel- und vier Halbsäulen mit biblischen und antiken Motiven, die aus dem 1502 erbauten Adelsstadthaus Ritterstraße 4 stammen und in den 1913 errichteten Nachfolgebau übernommen wurden, dem Gebäude der 1789 gegründeten Stallingschen Druckerei, das seinerseits 1965 für ein Parkhaus abgebrochen wurde. Heute befinden sich zwei der Halbsäulen im neuen Firmengebäude des Stalling-Verlages in der Ammergaustraße, weitere im alten Foyer des Oldenburger Stadtmuseums.
Auch ohne spezielle kunstgeschichtliche Interpretation wird man unseren Reiterfries wegen seines Zitierens der klassisch-antiken Bildersprache dem 16. bis 17. Jahrhundert zuordnen können, der Renaissance oder dem Frühbarock. Sofern die Herkunftsangabe stimmt – das berühmte Körnchen Wahrheit ist in solchen Überlieferungen meist enthalten –, muss man schauen, was sich in jener Zeit am Oldenburger Schloss tat: Grundlegendes. Graf Johann VII. von Oldenburg (1540-1603, seit 1577 Alleinherrscher im Oldenburger Teil der Grafschaft) hatte die mittelalterliche Wasserburg teilweise renovieren lassen. 1578 bekam der Festraum der Burg, der Große Saal, eine getäfelte mit Schnitzwerk versehene Decke. 1585 wurde ein ganz neues Gebäude im Renaissance-Stil errichtet, das „Frauenzimmer“ mit den Gemächern für die Gräfin und ihr Gefolge. Auf dem bekannten Kupferstich von Pieter Bast, der frühesten Ansicht der Stadt Oldenburg von 1598, kann man außerdem Renaissancegiebel am Kleinen Saal erkennen. Ein kriegerischer Fries wäre einem repräsentativen herrschaftlichen Sitz und Verteidigungsbau angemessen, allerdings weniger in einem speziellen Frauengebäude, könnte sich aber in einem der Säle befunden haben. Der nachfolgende Graf, Anton Günther (1583-1667), ließ die Burg 1607-16 vollends zu einem fürstlichen Residenzschloss umbauen. Dabei könnte der Fries entfernt worden sein, sofern er sich nicht doch im damals erhaltenen Frauenzimmer-Haus befand oder nicht überhaupt erst für des Grafen frühbarocken Schlossumbau geschaffen wurde. Anton Günther ließ sich allerdings als Friedensfürst verherrlichen, daher würden die Kriegsdarstellungen besser zwei Generationen früher zu den Charakteren des Grafen Anton I. (1505-1573) oder des Söldnerführers Graf Christopher (1504?-1566) passen. Nicht unwahrscheinlicherweise wurde das Kriegerrelief erst während der dänischen Landesherrschaft (1667-1773) aus dem Schloss entfernt, als keine Ergänzungsbauten mehr ausgeführt sondern im Gegenteil etliche Gebäude abgebrochen wurden, um Unterhaltungskosten zu sparen; darunter auch das Frauenzimmer, an dessen Stelle 1775-78 der „dänische“ Kanzleiflügel und 1894-97 der heutige Schloßsaal-Flügel errichtet wurde.


"Säbel"schwingender Krieger, gekleidet in eine Art Tunika, auf klassisch dargestelltem Ross.

Wie wäre das Bruchstück des Frieses nun auf einen Oldenburger Bauernhof gekommen? Vielleicht fand man es zu schade zum Wegwerfen, weshalb man ihn sozusagen „in den Keller“ brachte, auf das Grundstück eines der Landesherrschaft gehörenden Bauernhofes nämlich. Das ist aber wenig wahrscheinlich, denn was weg soll, kommt weg. Auch heute wird oft bei Abbrüchen oder Umbauten öffentlicher und privater Gebäude erstaunlich wenig Rücksicht auf Kunst am Bau genommen (z.B. der zerstörte flaggeschwingende Soldat an der Hindenburg-Kaserne, ein jüngeres „Kriegermotiv“). Eher wird die Initiative wohl vom Bauern ausgegangen sein, der hofdienstverpflichtet vielleicht beim Umbau mithelfen musste, etwa Fuhrdienst leisten. Vielleicht waren es die dargestellten Pferde, die es ihm angetan hatten, denn wie schon Graf Anton Günther waren (und sind) auch etliche der hiesigen Bauern leidenschaftliche Pferdezüchter. Als er nachfragte, könnte ihm der zuständige Hofbeamte gesagt haben: „Dat kannst hebben, dat bruk wi nich mehr.“ (Auf plattdeutsch, wenn der Beamte aus Norddeutschland stammte und jovial war = „Das kannst du haben, das brauchen wir nicht mehr.“ Andernfalls hochdeutsch: „Das kann er haben, das benötigt die gnädige Herrschaft nicht mehr.“)


Die Hauptperson, ein Fürst oder der oberste Heerführer der von links anstürmenden Truppen?

Aber das alles sind nur Erklärungsversuche, die reine Mutmaßungen bleiben müssen, solange sie nicht belegt werden können! Zumindest gewährt uns dieser unverhofft in bäuerlicher Sphäre erhaltene herrschaftlich-adelige Fries einen kleinen Blick auf die vielen verlorengegangenen Geschichten innerhalb der Geschichte Oldenburgs.
 

Literatur zu Bildhauerkunst an stadtoldenburger Gebäuden:
- Jörg Deuter: Oldenburg, Ein norddeutsches Stadtbild, Mit 105 historischen Abbildungen und 180 neuen Fotografien von Hergen Deuter, Oldenburg 1988: Graf-Christopher-Haus S. 25-29, Verlagshaus Stalling S. 2, 28, Graf Anton Günther-Bau S. 33-44.
- Hans Jürgen Hansen, Klaus Rohmeyer: Oldenburg (ein Bildband), München/Oldenburg 1987: Verlagshaus Stalling, S. 43-45.
Die Hinweise auf den Sandsteinfries verdanke ich Frau Annemarie Harich-Golzwarden aus Brake und der Hofeigentümerfamilie.

 
Martin Teller, 22.3.2009

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